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von Frank Roselieb
Rund 18.500 Unternehmenszusammenbrüche im ersten Halbjahr 2002, über 134.000 freigesetzte Arbeitskräfte durch Insolvenzen und ein volkswirtschaftlicher Schaden von mindestens 24 Milliarden Euro - allein durch Gläubigerverluste - haben aus manchem Geschäftsführer über Nacht einen Krisenmanager gemacht (Quelle: www.destatis.de). Über 99 Prozent der Firmenpleiten betreffen mittelständische Unternehmen - also Betriebe mit weniger als 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz nicht über 50 Millionen Euro.
Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Einerseits prognostizieren Krisenforscher bis Ende 2002 mehr als 40.000 Unternehmenszusammenbrüche. Andererseits deuten verschiedene Gesetzgebungsvorhaben und Unternehmensinitiativen - wie das geplante Verbraucherinformationsgesetz, der Deutsche Corporate-Governance-Kodex oder das Konsultationspapier "Basel II" - daraufhin, daß Krisenprävention und Krisenbewältigung im Alltag von mittelständischen Unternehmen zukünftig an Bedeutung gewinnen werden.
Auf Einladung des Krisennavigators trafen sich knapp 70 Führungskräfte aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, Vertreter von Banken, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen, Unternehmensberater, Fachjournalisten und Wissenschaftler zum "Krisengipfel 2002". Im Rahmen der Veranstaltung am 26. September 2002 im Savoy Hotel in Frankfurt am Main informierten führende Köpfe der deutschsprachigen "Krisen-Community" in Fachvorträgen und Hintergrundgesprächen über aktuelle Trends, neue Herausforderungen und erfolgsversprechende Konzepte des betrieblichen Krisen- und Risikomanagements.
Praxisberichte kamen u.a. von der Heyde AG, der Imbau GmbH, der Berliner Gaswerke AG und der T-Mobile Deutschland GmbH. Medienpartner des Kongresses waren das Unternehmermagazin "Markt und Mittelstand" aus München und die Fachzeitschrift "Wirtschaftsjournalist" für Finanz- und Wirtschaftsjournalisten, IR-Manager und Analysten aus Frankfurt am Main.
Agenda |
Frank Roselieb (Foto), Leiter des Krisennavigator - Instituts für Krisenforschung, einem "Spin-Off" der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, skizzierte in seinem Einführungsvortrag die herausragende Bedeutung und aktuelle Probleme des deutschen Mittelstands. Von den rund 3,3 Millionen Unternehmen in Deutschland sind über 99 Prozent mittelständisch geprägt. Knapp 50 Prozent der Bruttowertschöpfung und rund 70 Prozent der Arbeitsplätze werden vom Mittelstand bereitgestellt (Quelle: www.ifm-bonn.de).
Gleichwohl ist die Lage vieler mittelständischer Unternehmen besorgniserregend: Während die Eigenkapitalquote von Großunternehmen im Durchschnitt bei 23 Prozent liegt, beträgt sie im Mittelstand nur rund 7 Prozent. Etwa 37 Prozent der mittelständischen Unternehmen haben sogar kein Eigenkapitel. Auch die Zukunftsaussichten vieler mittelständischer Firmen sind düster: Für 2002 erwarten mehr als 84 Prozent der Firmenkundenberater in Sparkassen eine negative Umsatzentwicklung im Mittelstand. Schon heute arbeiten rund 31 Prozent der Betriebe ohne Gewinn (Quelle: www.dsgv.de).
Nachholbedarf haben mittelständische Unternehmen vor allem bei der Krisenprävention und beim Risikomanagement. Während das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) bisher nur für börsennotierte Aktiengesellschaften die Einführung von Frühwarnsystemen vorschreibt, beinhaltet der Deutsche Corporate Governance Kodex, der im Juli 2002 in Kraft getreten ist, implizit auch Empfehlungen zur Krisenprävention im Mittelstand. In die gleiche Richtung zielt das Konsultationspapier "Basel II". Spätestens ab 2006 wird danach die Kreditvergabe der Banken an eine vorherige Risikoeinschätzung des jeweiligen Engagements geknüpft sein.
Ausdrücklich warnte der Krisenforscher vor medienwirksamen Rettungsversuchen von Politiker bei Not leidenden Unternehmen. Ein solches "Moral Hazard"-Verhalten - wie jüngst bei Mobilcom, Babcock Borsig, Fairchild Dornier oder Grundig - mag zwar kurzfristig Wählerstimmen bringen. Langfristig verzerrt es jedoch den Wettbewerb zuungunsten vieler mittelständischer Unternehmen.
Für Dr. Michael Axhausen (Foto), Partner der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG in Hamburg, resultieren rund 60 Prozent aller Krisen im Mittelstand aus strategischen Fehlentscheidungen. Umweltveränderungen - wie die fortschreitende Substitution von Massenprodukten durch Individualprodukte, immer kürzer werdende Innovationszyklen und ständig neue gesetzliche Regelungen - erzeugen einen permanenten Anpassungsdruck für Unternehmen.
Passen sich Mittelständler nicht oder nicht schnell genug an die wechselnden Bedingungen an, droht ihnen - nach dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und des finanziellen Gleichgewichts - nicht selten die Insolvenz. Unternehmen - wie der Computerhersteller Dell, der Lebensmitteleinzelhändler Aldi, der Automobilproduzent Porsche oder das Einrichtungshaus IKEA - belegen, daß selbst in Problembranchen genügend Stellgrößen für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg existieren.
Die permanente Restrukturierung von mittelständischen Unternehmen sollte nach Axhausen in vier Schritten erfolgen. Zunächst gilt es, die eigene Marktposition zu ermitteln sowie die Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des Unternehmens mittels einer SWOT-Analyse zu bestimmen. Hierauf aufbauend können Ziele formuliert und fokussierte Strategien generiert werden. Zur Anwendung kommt dabei eine strukturierte Sammlung von Kennzahlen in Form einer Scorecard, die die abstrakten Strategien mit den konkreten Zielen und Ressourcen des Unternehmens verknüpft.
Anschließend müssen die Strategien durch flexible Strukturen und optimierte Prozessabläufe flankiert werden, um die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens im Zeitablauf zu gewährleisten. Die nötige Stabilisierung des Unternehmens erfolgt durch ein aktives Cash- und Kapitalmanagement, das eine integrierte Finanz-, Ertrags- und Liquiditätsplanung genauso einschließt, wie ein finanzwirtschaftliches Risikomanagement.
Nach Andreas Pulver (Foto), dem geschäftsführenden Gesellschafter der ad tempus consulting Gesellschaft für Unternehmensmanagement mbH in Frankfurt am Main, ist das Thema "Unternehmensnachfolge" ein Dauerthema im Mittelstand. Bis zu fünf Jahre dauert es im Durchschnitt bis eine zufriedenstellende Nachfolgeregelung gefunden wurde. Gleichwohl gehen die meisten Firmenchefs das Thema viel zu spät aktiv an.
Die Ursachen hierfür liegen auf der Hand: Das entscheidende Know-how des Unternehmens bündelt sich - historisch bedingt - beim Seniorchef. Eine Delegation von Verantwortung auf die zweite Führungsebene findet meistens nicht statt. Einerseits mangelt es den Firmenchefs vielfach an Vertrauen zum Führungsnachwuchs. Andererseits fürchten nicht wenige Geschäftsführer die "Leere danach". Ein mittelständischer Unternehmer wird so zum Engpassfaktor seines eigenen Betriebes. Fällt er - durch Krankheit oder Tod - plötzlich aus, droht eine akute Krise.
Als Ausweg aus diesem Dilemma empfiehlt Pulver - ähnlich wie bei einer Sanierung, zunächst die emotionalen Widerstände zu überwinden und anschließend gemeinsam mit den handelnden und betroffenen Personen nach einer adäquaten Lösung zu suchen. Der Unternehmer muß motiviert werden, den Prozess des Nachfolgemanagements rechtzeitig zu starten und entsprechend qualifizierte Schlüsselmitarbeiter frühzeitig aufzubauen. Obwohl die Familie des Unternehmers nicht vordergründig in Erscheinung tritt, spielt sie für das Gelingen der Nachfolgeregelung eine wesentliche Rolle. Insbesondere müssen die Auswirkungen der Nachfolgeregelung auf den Familienfrieden untersucht werden.
Firmenkundenberater in Banken könnten das Konsultationspapier "Basel II" zum Anlaß nehmen, um das Thema "Unternehmensnachfolge" - quasi aus neutraler Position heraus - anzusprechen. Die begleitenden Unternehmensberater müssen den Betrieb "nachfolgefähig" machen und dieses dem Altinhaber glaubwürdig kommunizieren. Hierdurch kann verhindert werden, daß der Seniorchef plötzlich aus dem Prozess des Nachfolgemanagements aussteigt.
Michael Bourjau (Foto), Unternehmensberater bei der Management Team AG in Wolfratshausen und ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsführung der Autobahn Tank & Rast GmbH & Co. KG, verdeutlichte in seinem Vortrag die Probleme und Chancen des Sanierungsmanagements in der Unternehmenspraxis. Restrukturierungsprojekte beginnen meistens erst nach Eintritt einer akuten Liquiditätskrise im Unternehmen. Das Sanierungsteam muß sich innerhalb weniger Tage einen Überblick über das Geschäftsmodell, die Marktposition, die Erfolgsfaktoren, die Organisationsstruktur und die Kapitalsituation des Unternehmens verschaffen.
In den ersten Wochen steht die finanzielle Restrukturierung im Vordergrund, da die Liquidität - als "Lebenselixier" des Unternehmens - gesichert werden muß. Die operative und strategische Restrukturierung schließt sich zeitlich überlappend an. Während des Projektes müssen auf die Beteiligten zum richtigen Zeitpunkt "zielführende Zwänge" ausgeübt werden, um das maximal Mögliche zu erreichen.
Nach der Konzeptarbeit sollte ein Umsetzungsgremium eingerichtet werden, in dem alle entscheidenden Personengruppen und Institutionen vertreten sind. Dieses kann beispielsweise ein Lenkungsausschuss sein, der aus der Geschäftsführung, den Poolführern und Gesellschaftern sowie einem Moderator besteht. Aufgabe des Lenkungsausschusses ist es, das Management zu begleiten und wichtige Entscheidungen mitzugestalten.
Unabhängig von bzw. parallel zu existierenden Controllingsystemen ist ein zeitnahes und aussagefähiges Reporting zuinstallieren. Dieses folgt der Systematik des Restrukturierungskonzeptes und kommuniziert in einem wöchentlichen oder monatlichen Rhythmus die Sanierungserfolge an die Beteiligten. Einen sofortigen Austausch der Geschäftsleitung des Krisenunternehmens lehnt Bourjau ab. Hierdurch gehen wichtige externe Kontakte und interne Strukturen verloren. Ein gleitender Ausstieg ist daher in den meisten Fällen ökonomisch sinnvoller und für die Unternehmenskultur verträglicher.
Dr. Utz Brömmekamp (Foto), Partner der Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät Metzeler & van Betteray sowie Seniorberater und Mitgründer der MBB Consult GmbH in Düsseldorf, sieht einen wesentlichen Grund für das Scheitern von Restrukturierungen in der unzureichenden Kapitalausstattung vieler mittelständischer Unternehmen. Bei kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz liegen die Eigenkapitalquoten je nach Branche zwischen 5 und 16 Prozent - im Bausektor sogar nur bei 1,5 Prozent.
Verschärft wird die prekäre Finanzierungssituation vieler mittelständischer Unternehmen durch externe Faktoren - wie die Regelungen des Konsultationspapiers "Basel II", das höhere Risikobewußtsein im Finanzsektor, die allgemeine Konjunkturdelle und die vielfach ungelöste Nachfolgeproblematik. Auch unternehmensintern wird die Bereitstellung von zusätzlicher Liquidität in Krisenzeiten erschwert - beispielsweise durch den tiefgreifenden Vertrauensverlust in das Management oder die drohende Überschuldung des Unternehmens.
Hilfe in der Not offerieren sogenannte Private-Equity-Fonds. Mit einem Volumen von mindestens einer Million Euro beteiligen sich die Fonds jeweils für vier bis sechs Jahre an Schieflageunternehmen. Das Beteiligungsportfolio ist grundsätzlich branchenunabhängig aufgestellt und nicht selten durch die öffentliche Hand abgesichert. Die Beteiligung erfolgt zumeist durch die Übernahme von Anteilen am Stamm- oder Kommanditkapital oder durch eine stille Beteiligung.
Private Equity stärkt das Unternehmen nicht nur in finanzieller Hinsicht. Im Rahmen der Gesellschafterfunktion wird zumeist auch Managementunterstützung gewährt - beispielsweise durch die Nutzung von Netzwerkkompetenzen oder beim Aufbau strategischer Allianzen. Dem Private-Equity-Geber stehen fallbezogen mehrere Ausstiegsoptionen aus dem Engagement zur Verfügung. Das Spektrum reicht vom Börsengang über ein "Management buy out" bis zum Verkauf an einen strategischen Partner. Der Verkaufspreis wird u.a. von der Bieterkonkurrenz, den Risiken der Übernahme und den Kosten der Sanierung bestimmt.
Angelika Amend (Foto), Fachanwältin für Insolvenzrecht und Partnerin der Rechtsanwaltssozietät Amend & Collegen in Kronberg/Taunus, verdeutlichte in ihrem Vortrag, daß eine drohende Insolvenz nicht zwangsläufig das Ende des Unternehmens bedeuten muß. Auch in der Insolvenzordnung stellt der Gesetzgeber den Sanierungsgedanken klar in den Vordergrund. Mit der Heyde AG präsentierte Amend den Aufstieg und Fall einer klassischen Firma am Neuen Markt.
Heyde war bis 1995 ein Softwaredienstleister mit Schwerpunkt im Logistikbereich und moderatem Wachstum. Durch Zukäufe und Unternehmensverschmelzungen sowie durch den Börsengang 1998 beschleunigte sich das Wachstum des Unternehmens rapide. Das Kerngeschäft wurde zunehmend vernachlässigt. Umsatz und Gewinn sanken. 2001 wies das Unternehmen einen Verlust von 79 Millionen Euro aus. Im April 2002 folgte der Insolvenzantrag der Aktiengesellschaft aus der New Economy.
Erste Aufgaben der vorläufigen Insolvenzverwalterin waren es, Ruhe in das Verfahren zu bringen, Prioritäten zu setzen sowie durch Erfahrung und Professionalität Vertrauen im Unternehmen zu schaffen. Im Rahmen einer Situationsanalyse wurde die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte ermittelt, die Inventarisierung vorangetrieben und eine Liquiditätsplanung erstellt. Als Ergebnis der Situationsanalyse zeigte sich, daß die Heyde AG als Ganzes nicht zu retten war, wohl aber einzelne Unternehmensteile eine Chance haben. Durch die Veräußerung von drei Betriebseinheiten konnten schließlich 230 Arbeitsplätze an zwei verschiedenen Standorten erhalten werden.
Am Beispiel der Imbau GmbH, der größten Bau-Tochtergesellschaft im Philipp Holzmann Konzern, verdeutlichte Amend das Vorgehen bei einer Insolvenzabwicklung in der Old Economy. Nach einer starken Expansion in den neuen Bundesländern Anfang der neunziger Jahre und dem Erwerb von diversen Werken, stiegen die Kosten der Imbau GmbH sprunghaft an. Eingeleitete Sanierungsmaßnahmen blieben unzureichend. In 2001 wurde ein Verlust von 87 Millionen Euro ausgewiesen. Durch die Veräußerung einer Tochtergesellschaft mit diversen Enkelgesellschaften konnten 580 Arbeitsplätze gerettet und Folgeinsolvenzen vorerst vermieden werden.
Jörg Helmut Trauboth (Foto), geschäftsführender Gesellschafter der TRM Trauboth Risk Management GmbH in Sankt Augustin bei Bonn, skizzierte in seinem Vortrag die zukünftigen Sicherheitsrisiken von Unternehmen. Diese liegen - bedingt durch den steigenden Wettbewerb auf den Produktmärkten, den technischen Fortschritt und die voranschreitende Globalisierung - vor allem in den Bereichen Geschäftssicherheit, Korruption, Computerspionage und Terrorismus.
Gerade im Bereich der Wirtschafts- und Wettbewerbsspionage haben neue Kommunikationstechniken die Angriffsmethoden und den Schadensumfang erheblich erweitert. Nach den Terroranschlägen in den USA war zwar kurzfristig ein Anstieg der Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen zu verzeichnen. Meistens wurden - unter den ersten emotionalen Eindrücken - Ad-Hoc-Entscheidungen über Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Eine neue Nachhaltigkeit in der Sicherheitsplanung ist jedoch nicht zu beobachten.
Zur Vorbereitung auf Sicherheitsprobleme empfiehlt Trauboth den Unternehmen, alle relevanten Sicherheitsrisiken systematisch zu erfassen und diese in ein ganzheitliches Sicherheitskonzept zu integrieren. Sicherheit sollte als Unternehmensziel und Managementaufgabe angesehen und direkt an die Unternehmensleitung angebunden werden.
Die Einrichtung einer Infrastruktur für das Krisen- und Notfallmanagement umfaßt u.a. die kontinuierliche Überprüfung der Notfallplanung, das regelmäßige Training der verantwortlichen Mitarbeiter an realistischen Szenarien und die ergänzende Einbeziehung qualifizierter, externer Experten. Das taktische Sicherheitskonzept sollte von operativen Maßnahmen in allen Unternehmens- und Geschäftsbereichen flankiert werden.
Dr. Werner Gleißner (Foto), Geschäftsführer der RMCE RiskCon GmbH & Co. KG und Vorstand der FutureValue Group AG in Leinfelden-Echterdingen, sieht ebenfalls in der Bewältigung von Risiken eine wesentliche Herausforderung für die Unternehmensführung. Zusammen mit den zukünftigen Cash-Flows bestimmen die Risiken eines Unternehmens den Unternehmenswert, die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit das Rating des Unternehmens.
Ein leistungsfähiges Risikomanagementsystem sollte - neben der Konformität mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) - in das Reporting des Unternehmens eingebunden sein, Transparenz bezüglich der Risiken herstellen und eine fundierte Grundlage für das Rating des Unternehmens bieten. Gerade mittelständische Unternehmen müssen nach dem Konsultationspapier "Basel II" zukünftig mit erheblichen Problemen bei der Kreditvergabe rechnen, wenn sie ihrer Hausbank die eigenen Risiken nicht transparent und nachvollziehbar darlegen können.
Bereits bei der Unternehmensgründung hilft eine risikoorientierte Betrachtung des Business Plans, verschiedene kritische Fragen zu beantworten - beispielsweise nach der Streubreite der wichtigsten Erfolgsfaktoren, nach kritischen Perioden mit erhöhter Insolvenzwahrscheinlichkeit oder nach der nötigen Liquiditätsreserve. Leistungsfähige Managementinformationssysteme sollten in regelmäßigen Abständen Antworten auf diese Fragen geben und damit die nötige Transparenz über zugrundeliegende Planungsannahmen und ihre Konsequenzen kontinuierlich schaffen.
Diese Transparenz wiederum ist Basis für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens - beispielsweise bei Gesprächen mit der Hausbank. Ist eine akute Krise bereits eingetreten, helfen Managementinformationssysteme bei der Bewertung alternativer Sanierungskonzepte. In Szenarioanalysen kann der mögliche Wertzuwachs einer Sanierungsalternative genauso dargestellt werden, wie das voraussichtliche Risiko.
Can Sekertekin (Foto), Leiter der Bereiche Konzernrevision und Datenschutz der Berliner Gaswerke AG (GASAG) in Berlin, erläuterte in seinem Vortrag das Vorgehen bei der Einführung eines Risikomanagementsystems in der Unternehmenspraxis. Der Energieversorger an der Spree hat zunächst ein Kernteam zusammengestellt - bestehend aus Mitarbeitern der Bereiche Technik, Vertrieb, Controlling, kaufmännische Abteilung und Personal. Dieses wurde extern unterstützt von Beratern der RMCE RiskCon GmbH & Co. KG und von Ernst & Young.
Entsprechend dem Prüfungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. legte die GASAG anschließend Risikofelder fest. Das Spektrum reichte von strategischen Risiken über die Risiken des Finanzmarktes und der Wertschöpfungskette bis hin zu politischen Risiken.
Die 65 identifizierten Einzelrisiken wurden anschließend in einer Risikoanalyse auf 17 Risiken verdichtet. Das verwendete Risikoaggregationsmodell basierte auf der GASAG-Unternehmensplanung und verwendete das Betriebsergebnis sowie den Gewinn vor Steuern als Zielgrößen. Die risikobedingte Streuung auf das Jahresergebnis vor Steuern wurde mittels einer Monte-Carlo-Simulation ermittelt.
Insgesamt sieht das Risikomanagementsystem mehrere Risikomanagementbeauftragte in den einzelnen Stabsfunktionen und Unternehmensbereichen vor. Diese übermitteln regelmäßige Risikoüberwachungsmeldungen an die jeweiligen Vorgesetzten und an das übergeordnete Risikocontrolling. Der Vorstand wird - je nach Risikoklasse - regelmäßig oder ad hoc über die Entwicklung der einzelnen Risiken sowie über die Gesamtrisikoposition des Unternehmens informiert.
Arne Girgensohn (Foto), Geschäftsführer der Trimedia Communications Deutschland GmbH in Düsseldorf, verdeutlichte in seinem Vortrag, welche Risiken Schieflageunternehmen drohen, wenn bei strategischen Neuausrichtungen die Unternehmenskommunikation vernachlässigt wird. Mangelnder Dialog mit Mitarbeitern und Gewerkschaften, Kunden und Lieferanten, Journalisten und Politikern führt zur Verunsicherung und "Lähmung" der Betroffenen und Beteiligten. Hierdurch kann der Sanierungserfolg nachhaltig negativ beeinflußt werden.
Stattdessen sollte die Unternehmensrestrukturierung als positiver Neuanfang mit Chancen zur Wertsteigerung kommuniziert und um Akzeptanz für die Wege und Ziele der Sanierung geworben werben. Am Beispiel der Restrukturierung der Asbach GmbH aus Rüdesheim Mitte der 90er Jahre skizzierte Girgensohn den Weg eines Unternehmens von ungeplanter Krisenkommunikation hin zu systematischem Change Management.
Nachdem die Bild-Zeitung über den Wegfall von 110 Arbeitsplätzen bei dem Traditionsunternehmen berichtet hatte, mußte sich die Geschäftsleitung völlig unvorbereitet gegenüber zahlreichen Anspruchsgruppen über die konkreten Pläne der Restrukturierung äußern. Mit Unterstützung externer Berater wurden mögliche Szenarien entwickelt und Hintergrundgespräche mit wichtigen Multiplikatoren geführt.
Über den Stand der Verhandlungen mit der Gemeinde und dem Land informierte das Unternehmen fortan regelmäßig in Pressemitteilungen. Nach der Krise konnte mit Maßnahmen zur gezielten Produkt- und Standort-PR ein wichtiger Beitrag zum Imageaufbau geleistet werden. Insgesamt wurde die Krise damit als Chance für einen erfolgversprechenden Neubeginn genutzt.
Petra Sammer (Foto), Creative Director der Ketchum GmbH in München, widmete sich den Besonderheiten der Produktkommunikation von Unternehmen mit starker Exportorientierung. Gefahren drohen mittelständischen Unternehmen zum einen durch unterschiedliche Rechtslandschaften. Während sich die Verbraucherschutzgesetzgebung in Deutschland erst langsam entwickelt, dominiert beispielsweise in Nordamerika das Bild eines schutzbedürftigen, behüteten Konsumenten mit einer sehr weitreichenden Unternehmenshaftung bei Produktfehlern.
Zum anderen variieren die Medienlandschaften und die Informationsverbreitungsgeschwindigkeit in Europa, Nordamerika und Asien erheblich. So dringen beispielsweise Meldungen über eine angebliche Verstrickung deutscher Unternehmen in den Nationalsozialismus in Echtzeit über den Atlantik und sorgen nicht selten für einen erheblichen Imageschaden auf den Produktmärken. Demgegenüber greifen nordamerikanische Medien nur sehr selten allgemeine Wirtschaftsthemen aus Europa in ihrer Berichterstattung auf.
Mittelständische Unternehmen mit bekannten Markenamen stehen vor einem doppelten Problem. Einerseits können starke Marken Krisen im Regelfall besser kompensieren. Andererseits reizen gerade "große Namen" Anspruchsgruppen, diese für eigene Boykottkampagnen zu mißbrauchen. Bei ihrer Produkt-PR und Markenkommunikation sollten mittelständische Unternehmen daher frühzeitig soziale Krisenkatalysatoren beachten: Als Folge eines "kulturellen Misfit" könnte die Botschaft oder die Darstellung eines Unternehmens in einem bestimmten kulturellen Umfeld möglicherweise falsch interpretiert werden.
Bei einem "nationalen Misfit" droht auf Grund von nationalen Ressentiments gegen das Produkt oder das Unternehmen ein Käuferstreik. Ein "sprachlicher Misfit" liegt vor, wenn eine Marke durch verschiedene Bedeutungen entstellt wird. Kollidiert ein Produkt, ein Markenname oder eine Kampagne mit einem aktuell diskutierten Thema, liegt ein "diskursiver Misfit" vor. Unternehmen sollten daher vorab informelle Marktanalysen durchführen und kritische "Issues" identifizieren. Auch nach der Produkteinführung gilt es, die Zielmärkte durch Frühwarnsysteme und systematische Medienbeobachtung kontinuierlich im Blickfeld zu behalten.
Cornelia Szyszkowitz (Foto), Leiterin des Bereiches Risikokommunikation / Umwelttechnik für Mobilfunktechnologien der T-Mobile Deutschland GmbH in Darmstadt, stellte zum Abschluß des Krisengipfels 2002 die kommunikativen Herausforderungen dar, vor denen Deutschlands führender Telekommunikationsanbieter beim Ausbau seines Mobilfunknetzes steht. Um die rund 60 Millionen Teilnehmer flächendeckend ohne Netzlücken zu versorgen, muß bis Ende 2003 ein Netz von insgesamt rund 80.000 Standorte in Betrieb sein.
Hiergegen formiert sich seit einiger Zeit erbitterter Widerstand von Bürgerinitiativen. Deren Motive reichen von einer "Not in my backyard"-Mentalität über den befürchteten Wertverlust der betreffenden Immobilien bis hin zu dem Gefühl einer "optischen Bedrohung" durch die Sendeanlagen. T-Mobile hat daraufhin innerhalb der Abteilung Umwelttechnik zwei Bereiche für politische und öffentliche Kommunikation eingerichtet. Neun Mitarbeiter widmen sich dort der proaktiven Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema.
Gegenüber der Bundesregierung haben sich die Mobilfunkbetreiber u.a. verpflichtet, die Forschung im Bereich Mobilfunk zu unterstützen und Senderstandorte möglichst gemeinsam zu nutzen. Eine Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden sieht vor, daß die Mobilfunkbetreiber regelmäßig über ihre Netzplanung informieren und die Kommunen aktiv bei der Errichtung neuer Sendeanlagen einbinden.
Zusammen mit Wettbewerbern hat T-Mobile das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) errichtet. Dieses informiert via Internet, in Broschüren, Presseworkshops und zielgruppenspezifischen Events branchenübergreifend zum Thema. Ihre eigenen Mitarbeiter sensibilisiert das Unternehmen u.a. durch Beiträge in der Mitarbeiterzeitschrift, durch Schulungen und über das Intranet. Vor Ort werden Informationsveranstaltungen, Pressefahrten und "Tage der offenen Tür" durchgeführt. Außerdem stehen fünf regionale Pressesprecher als Ansprechpartner zur Verfügung.
Folgende Medien haben über den "Krisengipfel 2002" berichtet:
Frank Roselieb |
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Letzte Aktualisierung: Sonntag, 1. Dezember 2024
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