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von Frank Roselieb
Nach Artikel 35 des Grundgesetzes zählt die Hilfestellung bei der Bewältigung außergewöhnlicher Notlagen (Naturkatastrophen, Unglücksfälle etc.) zu den originären Aufgaben des Staates. Auch zur Bewältigung betrieblicher Schieflagen halten staatliche Einrichtungen vielfältige Beratungs- und Unterstützungsangebote bereit. Ein Teil dieser Dienstleistungen wurde in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen entwickelt oder wird heute gemeinsam mit privatwirtschaftlichen Akteuren angeboten.
Vier solcher Public Private Partnerships zum Krisenmanagement standen im Mittelpunkt einer öffentlichen Sitzung des Arbeitskreises "Krisen- und Risikokommunikation, Issues Management und Sicherheit" des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung am 30. Juni 2004 im Industriepark Höchst in Frankfurt am Main. Welche Erfahrungen haben Unternehmen mit staatlichen Hilfsmaßnahmen im krisennahen Bereich gemacht? Wie kann das Zusammenspiel von betrieblicher Eigensicherung einerseits und staatlicher Unterstützung bei der Krisenprävention andererseits optimal gestaltet werden?
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Zur Beantwortung dieser Fragen begrüßten Frank Roselieb (Foto links), Leiter des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung in Kiel, und Dr. Dieter Kreuziger (Foto rechts), Geschäftsführer der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG in Frankfurt am Main, rund 30 Krisen- und Notfallmanager aus Industrieunternehmen, Vertreter von Banken und öffentlichen Einrichtungen, Wissenschaftler und Journalisten im Industriepark Höchst. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) mit Sitz in Hamburg und von der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG in Frankfurt am Main.
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Dr. Burkhard Touché (Foto), Abteilungsdirektor der KfW Mittelstandsbank in Berlin, führte in die krisennahen Beratungs- und Vermittlungsangebote der KfW Bankengruppe ein. Seit 1995 bietet die öffentlich-rechtliche KfW Mittelstandsbank kleinen und mittleren Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Situationen Hilfestellung durch sogenannte "Runde Tische" an. Die Not leidenden Unternehmer wenden sich hierfür an die lokale Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer. Auf Basis der vorgelegten Unterlagen entscheiden die Kammermitarbeiter über die Notwendigkeit eines Runden Tisches und schlagen dem Schieflageunternehmen mehrere KfW-auditierte Unternehmensberater als alternative Projektbetreuer vor.
Der Unternehmer wählt einen Berater aus dem KfW-Beraterpool aus. Dieser führt eine erste Schwachstellenanalyse im Betrieb durch und skizziert notwendige Maßnahmen zur Überwindung der Krisensituation. Soweit nötig, wird zusätzlich ein Runder Tisch mit allen Beteiligten einberufen. An den Sitzungen nehmen im Regelfall der Kammervertreter, die Gläubiger, der Not leidende Unternehmer selbst sowie der Berater teil. Die Krisenberatung im Rahmen des Runden Tisches ist für das hilfesuchende Unternehmen - mit Ausnahme der Fahrtkosten für den Berater - kostenfrei. Die Aufwandsentschädigung für den Unternehmensberater in Höhe von EUR 160 pro Einsatztag übernimmt die KfW.
Ziel der Runden Tische ist - neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen und der Sicherung des Unternehmensfortbestands - auch die Reduzierung von Kreditausfällen für die KfW und für die finanzierenden Hausbanken. Seit dem Projektbeginn im Jahr 1995 bis einschließlich Juni 2004 wurden insgesamt 21.000 Unternehmen mit rund 225.000 Arbeitsplätzen im Rahmen der Runden Tische betreut. Die KfW wertet dieses Krisenberatungsinstrument im Rückblick als Erfolg: Immerhin waren rund 60 Prozent der betreuten Unternehmen mehrere Jahre nach der Beratung noch am Markt aktiv.
Um den Bedarf nach weitergehender Beratung zu decken, fördert die KfW mit finanzieller Unterstützung durch den Europäischen Sozialfond eine sogenannte "Turn Around Beratung". Innerhalb von vier Wochen nach Abschluss des Runden Tisches können sich die Unternehmen um eine solche Turn Around Beratung bewerben. Finanziert werden maximal zehn Beratungstage durch KfW-auditierte Unternehmensberater. Voraussetzung ist ein positives Votum der lokalen Kammermitarbeiter. Bisher nutzte jedes vierte ehemalige Runde-Tisch-Unternehmen dieses Nachsorgeangebot.
Dr. Utz Brömmekamp (Foto), geschäftsführender Gesellschafter der MBB Consult GmbH und Partner der Rechtsanwaltssozietät Buchalik & Brömmekamp in Düsseldorf, nahm - stellvertretend für die von ihm beratenen Not leidenden Unternehmer - aus betrieblicher Sicht zu den staatlichen Hilfsangeboten und Regelungen im krisennahen Bereich Stellung. Seiner Ansicht nach werden Sanierungen teilweise durch rechtliche Hürden erschwert. Erstens ist der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit durch die seit 1999 geltende Insolvenzordnung deutlich verschärft worden. Nach der alten Konkursordnung wurde die Zahlungsunfähigkeit erst dann vermutet, wenn eine komplette Zahlungseinstellung erfolgt ist. Demgegenüber ist der Schuldner nach der neuen Insolvenzordnung bereits dann zahlungsunfähig, wenn er fällige Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann.
Zweitens wenden Arbeitsgerichte im Falle eines Betriebsübergangs die Regelungen des § 613 a BGB nach wie vor recht strikt an. Der Erwerber eines Not leidenden Betriebes oder Betriebsteils übernimmt danach grundsätzlich die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten. Kündigungen sind damit faktisch sehr erschwert und kostspielig. Hierdurch entsteht insbesondere bei Investorenlösungen ein erhebliches Sanierungshemmnis. Drittens wurde das sogenannte "Sanierungsprivileg" - also die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen - Anfang 1998 abgeschafft. Wegen der daraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen können finanzwirtschaftliche Sanierungen unter Umständen gänzlich verhindert werden. Erheblich eingeschränkt wurde außerdem der horizontale Verlustausgleich. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen können Ertragssteuern aus Sanierungsgewinnen in zwei Schritten zunächst gestundet und dann erlassen werden.
Als staatlicher Rettungsanker für Not leidende Unternehmen erweist sich häufig die Besicherung von Krediten durch Landes- und Bundesbürgschaften. Zwar werden grundsätzlich keine staatlichen Bürgschaften für Überbrückungs- oder Sanierungskredite übernommen. Bei Konsolidierungskrediten sind Bürgschaften jedoch möglich. Voraussetzung ist zum einen die Vorlage eines erfolgversprechenden Fortführungskonzeptes, das auch von den Gläubigern mitgetragen wird. Zum anderen müssen erste Anzeichen dafür erkennbar sein, dass die Talsohle der betrieblichen Krise durchschritten wurde. Fällig wird die Bürgschaft dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers erwiesen ist und nennenswerte Verwertungserträge aus dem Vermögen oder aus den bestellten Sicherheiten - auch nach Durchführung von Zwangsmaßnahmen - nicht mehr zu erwarten sind.
Überschreitet das Fördervolumen bestimmte Schwellenwerte oder handelt es sich bei dem Not leidenden Betrieb nicht mehr um ein kleines oder mittleres Unternehmen, ist eine EU-Genehmigung erforderlich. Zudem müssen sämtliche Bürgschaften in Sanierungsfällen grundsätzlich über den Bund oder das Land bei der EU beantragt werden. Bis zur Erteilung der Genehmigung können zwischen drei und zwölf Monate vergehen. Wegen des erheblichen Arbeits- und Zeitaufwands kommt dieses Verfahren vornehmlich bei publizitätsträchtigen Fällen von besonderem öffentlichen und politischen Interesse in Betracht. In der Übergangszeit - also bis zur Erteilung oder Versagung der Genehmigung - können die Banken bzw. das Land ihre Zusagen allenfalls ohne Rückendeckung aus Brüssel geben.
Dirk Reinermann (Foto) vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn informierte über Konzepte des BSI zum Schutz kritischer Infrastrukturen in Staat und Wirtschaft. Kritische Infrastrukturen sind Einrichtungen mit besonderer Bedeutung für das Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung Versorgungsengpässe, Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Zu den kritischen Infrastrukturen zählen beispielsweise die Bereiche Transport- und Verkehrswesen, Gefahrstoffe, Informationstechnik, Telekommunikation, Energieversorgung, Verwaltung, Justiz sowie das Finanz- und Versicherungswesen.
Die Robustheit etlicher dieser Systeme hat in den vergangenen Jahren stetig abgenommen. Zum einen wurde die überregionale und staatenübergreifende Zusammenarbeit sowie die Vernetzung durch Informationstechnik zwischen bisher unverbundenen Sektoren immer stärker ausgebaut. Vorfälle im Ausland oder in anderen Branchen können somit schnell auch zu Problemen im Inland und in eigentlich unbeteiligten Branchen führen. Zum anderen hat der Abbau von Personal und Lagerkapazitäten die Redundanzen weiter reduziert. Großflächige Störungen und Ausfälle durch höhere Gewalt, organisatorische Mängel, menschliches oder technisches Versagen bzw. vorsätzliche Handlungen werden damit wahrscheinlicher.
Auf diese geänderten Rahmenbedingungen hat die Bundesregierung mit verschiedenen Maßnahmen reagiert: 1997 wurde eine ressort-übergreifende Arbeitsgruppe zu kritischen Infrastrukturen eingerichtet. 1998 folgte im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Gründung eines eigenen Referats, das mittlerweile sieben Mitarbeiter umfasst. 1999 wurde der "Arbeitskreis Schutz von Infrastrukturen" (AKSIS) als Public Private Partnership durch die IABG mbH aus Ottobrunn initiiert. Hier treffen sich regelmäßig Vertreter kritischer Infrastruktursektoren. Im Bundesinnenministerium wird das Thema "Schutz Kritischer Infrastrukturen" durch die Projektgruppe "KRITIS" wahrgenommen. Dieser gehören neben verschiedenen Referaten des Ministeriums auch Behörden aus dem ministerialen Geschäftsbereich an (u.a. Bundeskriminalamt, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik).
Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht die Entwicklung eines nationalen Plans zum Schutz IT-abhängiger kritischer Infrastrukturen. Dieser sieht auch Maßnahmen zur Sensibilisierung von Bürgern, Politikern und Unternehmen für den bewussten Umgang mit der Informationstechnologie und deren Risiken vor. Angestrebt sind außerdem eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit anderen G8- und Nato-Staaten sowie regelmäßige Sicherheitsgespräche mit den Betreibern kritischer Infrastrukturen. Am Informationsaustausch zum Thema "Schutz Kritischer Infrastrukturen" beteiligen sich derzeit rund 160 Vertreter aus Behörden, Wirtschaftsunternehmen und der Wissenschaft.
Dipl.-Ing. Jürgen Kühn (Foto), Risiko- und Notfallmanager der Motorola GmbH am Standort Flensburg, stellte Konzepte zum Schutz kritischer Infrastrukturen bei Motorola vor. Mit 94.000 Mitarbeitern weltweit - davon 3.500 in Deutschland - produziert das Unternehmen nicht nur Mobiltelefone, sondern beliefert auch die Automobilindustrie mit elektronischen Bauteilen und fertigt Funkgeräte für die Sicherheitsbehörden. Zur Vorbereitung und Bewältigung von Krisensituationen hält Motorola ein vierstufiges Krisenmanagementsystem bereit. Ziele sind - neben der Minimierung von Unterbrechungen der Geschäftsprozesse - insbesondere der Schutz von Menschen sowie die Werterhaltung der Marke "Motorola".
In der ersten Phase ("Vorbeugung") muss jeder Motorola-Standort mit mehr als 100 Mitarbeitern einmal jährlich eine Risikoeinschätzung durchführen. Dabei werden alle Zwischenfälle aufgelistet, die innerhalb von zwei Jahren auftreten und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Krise entwickeln könnten. Anhand einer Risikomatrix erfolgt eine Einschätzung der Auswirkungen der jeweiligen Ereignisse. In der zweiten Phase ("Vorbereitung") werden für Zwischenfälle mit hohem Risiko Krisenpläne erarbeitet, Krisenteams zusammengestellt und Krisenübungen durchführt.
Primäres Ziel der dritten Phase ("Reaktion") ist es, zeitnah und gezielt auf eine ausgebrochene Krise zu reagieren. Zu diesem Zweck hat Motorola Eskalationskriterien und Ablaufpläne festgelegt, Formulare und Adresslisten erstellt und ein elektronisches Alarmierungssystem eingeführt. Lokale Zwischenfälle werden in der Regel dezentral vom Krisenmanagement am jeweiligen Standort bewältigt. Bei gravierenden Geschehnissen - beispielsweise mit erheblichen Auswirkungen auf Kunden, operative Bereiche, den Ruf und das Ansehen des Unternehmens - wird die Unternehmensleitung in das Krisenmanagement einbezogen.
In der vierten Phase ("Wiederherstellung") soll nach der Krise möglichst schnell zum normalen Geschäftsablauf zurückgekehrt werden. Hierfür hat Motorola "Business Continuity Pläne" für kritische Bereiche erstellt. Darin sind die Prioritäten für das Wiederanfahren der Geschäftsprozesse festgelegt und - zusätzlich zu den Krisenmanagern - "Business Continuity Manager" für die einzelnen Bereiche benannt. Zum systematischen Lernen aus der Krise werden innerhalb von Motorola Berichte zu den weltweit bewältigten kritischen Ereignissen in einem internen "Incident Management System" zusammengestellt. Für Mitarbeiter und Vertragspartner steht ein Faltblatt mit Kurzinformationen zum Krisenmanagementsystem bereit.
Stefan Peters (Foto links), Kriminalhauptkommissar im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, und Reiner Sinkel (Foto rechts), Kriminaloberrat im Hessischen Landeskriminalamt in Wiesbaden, erläuterten die Zusammenarbeit von Polizei und Unternehmen bei der Verhinderung und Bewältigung von Fällen schwerster Gewaltkriminalität. Hierzu zählen beispielsweise Entführungen, Erpressungen und Geiselnahmen. Allein im Jahr 2003 hat das Bundeskriminalamt 102 Entführungen, 88 Geiselnahmen und 5804 Erpressungen gegen Unternehmen und Privatpersonen auf deutschem Boden registriert (Quelle: www.bka.de).
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An allen sechzehn Landeskriminalämtern in Deutschland wurden spezielle Beratergruppen für Fälle schwerster Gewaltkriminalität eingerichtet. Die besonders geschulten Polizeibeamten informieren Unternehmen und gefährdete Privatpersonen präventiv und kostenfrei über zweckmäßige Vorbeuge- und Vorsichtsmaßnahmen. Hierdurch soll das nötige Gefahrenbewusstsein bei den Betroffenen entwickelt und ein situationsgerechtes Verhalten im Entführungs- oder Erpressungsfall bzw. bei Geiselnahmen gefördert werden. Im Ernstfall unterstützen die Beratergruppen außerdem die Polizeiführer vor Ort und beraten die Krisenstäbe in den betroffenen Unternehmen.
Ziel aller polizeilichen Maßnahmen ist - neben der Ergreifung der Täter - stets auch der Schutz der Geschädigten. Notwendig hierfür ist ein vertrauensvolles Zusammenwirken der Betroffenen mit der Polizei. Die zuständigen Polizeidienststellen sollten daher rechtzeitig über die Reiseabsichten entführungsgefährdeter Personen und über verdächtige Wahrnehmungen im privaten und betrieblichen Umfeld informiert werden. Ebenso sind alle Erpressungsversuche unverzüglich der Polizei zu melden - auch wenn der Täter dieses ausdrücklich untersagt. Eigenmächtiges Handeln der betroffenen Unternehmen gefährdet in der Regel den Erfolg polizeilicher Maßnahmen und verschärft die Gefährdungslage unnötig.
Die Arbeit der Beratergruppen zahlt sich aus. Während 2003 im Durchschnitt nur gut jede zweite Straftat in Deutschland aufgeklärt werden konnte (Aufklärungsquote: 53,1 Prozent), wurden bei fünf von sechs Entführungen, Erpressungen und Geiselnahmen die Täter dingfest gemacht (Aufklärungsquoten: 83,3, 84,1 und 95,5 Prozent). Um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Polizei in Sicherheitsbelangen zu fördern, haben Spitzenverbände der Wirtschaft 1993 außerdem die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V. gegründet. Auf Basis einer Rahmenregelung des Bundesinnenministeriums leitet die Arbeitsgemeinschaft sicherheitsrelevante Lageinformationen der Behörden direkt an die Unternehmen weiter.
Siegmund Buchholz (Foto), Leiter des Bereichs Sicherheitssysteme der Thales Defence Deutschland GmbH in Pforzheim, gab einen Überblick über technische Systeme und Dienstleistungen zum betrieblichen Sicherheitsmanagement. Der Thales-Konzern mit Hauptsitz in Frankreich beschäftigt 65.000 Mitarbeiter in 48 Ländern. Haupttätigkeitsgebiete sind die Bereiche Luftfahrt, Verteidigung und Informationstechnologie. In Deutschland gehören 13 Unternehmen mit 3.600 Mitarbeitern an 23 Standorten zur Thales-Gruppe.
Mit dem Sicherheitspaket "SHIELD" (Strategic Homeland Intelligence + Electronic Deterrence) reagiert Thales auf die Risiken und Verwundbarkeiten von Unternehmen - beispielsweise in den Bereichen Kommunikation, IT- Sicherheit, Infrastruktur und Logistik. Speziell für die Betreiber kritischer Infrastrukturen - wie Verkehrsleitstellen, Energie- und Wasserversorger - stellt Thales integrierte Sicherheitssysteme bereit. Diese unterstützen die Lagezentren umfassend bei der Überwachung und Einsatzsteuerung - von der Alarmerfassung und graphischen Darstellung der Situation bis hin zur automatisierten Zuweisung von Ressourcen und Entscheidungsfindung.
Zum Schutz besonders sensibler Anlagen - wie Forschungszentren und Militärcamps - kommen neben Videokameras und Spezialzäunen verstärkt auch seismische, akustische, magnetische und lasergestützte Bodensensoren zum Einsatz. Die Zugangskontrolle von Mitarbeitern und Besuchern erfolgt bei Unternehmen immer häufiger durch Verfahren der biometrischen Authentifizierung (Gesichts- und Handerkennung etc.). Zum Schutz von Kraftwerken und Versorgungseinrichtungen entwickelt Thales auf Basis von Gefährdungsanalysen individuelle Sicherheitskonzepte. So schützen Thales- Systeme beispielsweise eine mehrere hundert Kilometer lange Öl-Pipeline in Nordafrika vor Sabotageversuchen.
Seit dem 1. Juli 2004 müssen Hafenanlagen nach dem sogenannten ISPS-Code der International Maritime Organization, einer Einrichtung der Vereinten Nationen, besonders geschützt werden. Das Spektrum möglicher Schutzkonzepte reicht von der Überwachung der Lagerhäuser durch Videokameras gegen Warendiebstahl bis zum Schutz vor wasserseitigen Terroranschlägen durch Sonaranlagen. Die Sicherheitssysteme an Flughäfen unterstützen - neben der Gefahrenabwehr - auch das generelle Flughafenmanagement. Beispielsweise erkennen Thales-Systeme liegengebliebene oder auf Busspuren geparkte Fahrzeuge und melden von Förderbändern herabfallende Gegenstände dem Bedienungspersonal.
Dirk Freudenberg (Foto) von der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Bad Neuenahr- Ahrweiler widmete sich in seinem Vortrag der Aus- und Weiterbildung im Notfall- und Katastrophenmanagement. Innerhalb des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit Hauptsitz in Bonn ist die AKNZ insbesondere für die Zivilschutzausbildung zuständig. Rund 35 Dozenten schulen pro Jahr in mehreren hundert Seminarveranstaltungen Führungskräfte aus der öffentlichen Verwaltung, von Hilfsorganisationen und aus der Katastrophenmedizin, aber auch Geschäftsführer und Pressesprecher.
Grundlage für die Arbeit der AKNZ ist das Rahmenkonzept "Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung", das von der Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der Länder im Juni 2002 verabschiedet wurde. Darin haben Bund und Länder ihren Willen bekundet, den Schutz der Bevölkerung in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Gefordert wird hierfür vor allem ein verändertes strategisches Denken und ein gemeinsames Krisenmanagement von Bund und Ländern bei außergewöhnlichen Gefahrensituationen und national bedeutsamen Schadenslagen. Die AKNZ vermittelt den Leitern der relevanten Organisationseinheiten das hierfür notwendige Wissen zum Führen und Leiten sowie zur Koordination und Kooperation im Katastrophenschutz.
Das Aus- und Weiterbildungsangebot der AKNZ umfasst u.a. die Themen Krisenmanagement durch Verwaltungsbehörden, Management kritischer Infrastrukturen (Energie, Trinkwasser etc.), psychosoziale Notfallversorgung, Zivil-Militärische Zusammenarbeit, Katastrophenmedizin, Führen und Leiten im operativ- taktischen Bereich sowie ABC-Vorsorge und -Schutz. Darüber hinaus widmet sich die AKNZ auch der Auswertung von Großschadensereignissen und Forschungsvorhaben sowie der Planung und Durchführung von Studien und Katastrophenübungen. Die AKNZ ist außerdem beratend in die konzeptionelle Arbeit der obersten Bundesbehörden eingebunden.
Als Kompetenzzentrum für das Bund-Länder-Krisenmanagement verknüpft die AKNZ einerseits vertikal Bund, Länder, Kommunen, Fachbehörden sowie Hilfsorganisationen und andererseits sektoral die Bereiche Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft, Forschung, Ausbildung und Einsatzpraxis. Die fünf Fachbereiche der AKNZ fungieren außerdem als deutsche Plattform für den internationalen Austausch in Fragen des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe. Das Netzwerk der AKNZ wurde in den über 50 Jahren des Bestehens der Akademie schrittweise aufgebaut und umfasst - neben nationalen Einrichtungen - auch zahlreiche Institutionen auf EU-, UN- und NATO-Ebene.
Dr. Jens Hollander (Foto), Notfallmanager der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG in Frankfurt am Main, stellte das Konzept zum Notfallmanagement im Industriepark Höchst vor. Insgesamt beschäftigen die rund 80 Firmen des Industrieparks über 22.000 Mitarbeiter - verteilt auf mehr als 800 Gebäude. Die Infraserv GmbH & Co. Höchst KG trägt als Standortbetreiber die Gesamtverantwortung für die Gefahrenabwehr und für das Notfallmanagement im Industriepark. Alle im Industriepark ansässigen Unternehmen verpflichten sich in einem Standortvertrag, die Durchsetzung von Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr über alle Hierarchieebenen zu unterstützen und den entsprechenden Anordnungen der Notfallmanager Folge zu leisten.
Infraserv hat die Erkenntnisse aus mehreren Betriebsstörungen im Jahre 1993 genutzt, um das Notfallmanagement im Industriepark völlig neu zu konzeptionieren. Die Gefahrenabwehr in ihrer heutigen Form besteht seit 1996 und umfasst die drei Phasen Notfallmanagement ("response"), Krisenmanagement ("recovery") und Vorbereitung ("readiness"). Im Ernstfall sorgt das Notfallmanagement zunächst für eine schnelle Bewältigung der Schadensereignisse durch unmittelbar wirkende Sofortmaßnahmen. Anschließend leitet der Einsatzstab im Rahmen des Krisenmanagements zusätzlich strategische Maßnahmen ein, um die negativen Auswirkungen des Ereignisses gering zu halten und Sekundärschäden möglichst zu vermeiden. Nach Bewältigung eines Notfalls werden zur Vorbereitung auf kommende Schadensereignisse Verbesserungspotenziale identifiziert und somit die Systeme zur Gefahrenabwehr permanent optimiert.
In die integrierte Struktur des Notfallmanagements im Industriepark Höchst sind neben den Bereichen Standortsicherheit, Umweltschutz, Krisenkommunikation, Anlagensicherheit, Toxikologie, Werksfeuerwehr, Rettungsdienst und Geschäftsführung auch Institutionen der öffentlichen Gefahrenabwehr - wie beispielsweise die Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main und die Polizei - eingebunden. Bei Großschadensereignissen veranlasst der Einsatzstab des Industrieparks außerdem die Warnung von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern etc. im betroffenen Bereich durch Lautsprecherdurchsagen, Radiomeldungen und Sirenen. Ferner werden die zentralen Leitstellen der Rettungskräfte und Polizeidienststellen unmittelbar über das Ereignis informiert.
Notfallmanager sind sowohl im Einsatzstab des Lagezentrums als auch vor Ort an der Einsatzstelle präsent. Das Führungskonzept des Einsatzstabs umfasst - neben routinemäßigen Standardtagesordnungspunkten - auch ereignisabhängige Checklisten mit straffem Zeitmanagement und klarer Aufgabenverteilung. Durch Zugangskontrollen und strikte Verhaltensregeln - beispielsweise einem generellen Mobiltelefon- und Funkverbot bei Besprechungen - schirmt sich der Einsatzstab gegen Störungen von außen ab. Zu seinen Aufgaben gehört - zusätzlich zur operativen Krisenbewältigung - auch die Koordination der Krisenkommunikation (Abstimmung von Pressemitteilungen und Mitarbeiterinformationen, Vorbereitung von Pressekonferenzen etc.).
Frank Roselieb |
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Letzte Aktualisierung: Dienstag, 15. Oktober 2024
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