Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 3 (März) - ISSN 1619-2389
 

Risiko- und Krisenmanagement
in der New Economy

von Frank Roselieb

Überblick

Stürzende Börsenkurse am Neuen Markt, "Todeslisten" in der Wirtschaftspresse und wütender Kundenprotest auf "Hate Sites" und Verbraucherportalen im Internet verunsichern viele Führungskräfte in der New Economy. Auch Bankenvertreter, Venture Capital-Geber und Krisenberater in den Industrie- und Handelskammern machen sich zunehmend Sorgen um die künftige Entwicklung der "neuen Wirtschaft".

Auf Einladung des Krisennavigator trafen sich am 7. Juni 2001, Führungskräfte aus der neuen und alten Wirtschaft sowie Vertreter von Banken, Venture Capital Gesellschaften, Branchenverbänden und Beratungsunternehmen zu einem "Krisengipfel" an der Universität Kiel. Im Rahmen der Veranstaltung haben erfahrene Sanierungsberater, Kommunikationsspezialisten und Juristen über zweckmäßige Strategien zur Krisenprävention und das richtige Verhalten im Ernstfall informiert.

Audimax der Kieler Universität

Eine begleitende Fachausstellung im Foyer des Audimax der Kieler Universität hat zu Expertengesprächen unter "vier Augen" eingeladen. Vertreten waren u.a. KPMG AG, Ketchum GmbH, MBB Consult GmbH, RMCE RiskCon GmbH und Trauboth Risk Management GmbH. Die eintägige Veranstaltung wurde abgerundet von einer Podiumsdiskussion zu den Perspektiven der New Economy. Medienpartner des Kongresses war das Internet-Wirtschaftsmagazin NET INVESTOR aus München.

Die Vorträge des "Krisengipfels" und zahlreiche weitere Beiträge zum Thema sind im folgenden Sammelband enthalten:

   

Frank Roselieb (Hrsg.), Die Krise managen -
5 wertsteigernde Strategien für die Internetwirtschaft, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main, 2002, 248 Seiten, EUR 25.90, ISBN 3-934191-71-1

| Inhalt | Vergriffen |

Einführung:
New Economy = neues Krisenmanagement?

Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hauschildt, Direktor am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, begrüßte - stellvertretend für die gastgebende Universität - knapp 50 Teilnehmer aus Wirtschaftspraxis und Wissenschaft, von Medien und öffentlichen Einrichtungen im Audimax der Kieler Universität. Anschließend führte Frank Roselieb, Herausgeber des Krisennavigator und Veranstalter des Kongresses, in das Thema des "Krisengipfels" ein. 



Prof. Dr. Dr. h.c.
Jürgen Hauschildt


 
Frank Roselieb

Für den Krisenforscher am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Kieler Universität hat die New Economy - verstanden als Gesamtheit aller Unternehmen, die Spitzentechnologie herstellen oder auf ihr basieren - Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig verändert. Neben einer neuen Sprache und einem neuen Kapitalmarkt scheint die New Economy auch den Faktor "Arbeit" neu definiert zu haben. Aus den einst "superglücklichen Malochern" ("Die Zeit" - Ausgabe 29/2000) sind - durch Firmenpleiten und Entlassungswellen in der New Economy - zunehmend kritische Arbeitnehmer geworden, die neuerdings auch Gewerkschaften aufgeschlossen gegenüberstehen. 



Neue Sprache?
www.neweconomy-duden.de



Neuer Faktor "Kapital"?
www.neuermarkt.com 

 

Neuer Faktor "Arbeit"?
www.connexx- av.de

Auch die Mechanismen, mit denen Krisen in der New Economy erkannt, kommuniziert und bewältigt werden, unterscheiden sich von denen der "alten Wirtschaft". So lädt beispielsweise der Online-Dienst www.crashdotcom.de zur Wahl des "dümmsten DotCom Deutschlands" (DDD) ein. Entlassene aus Unternehmen der New Economy tauschen sich auf sogenannten "Pink Slip Parties" über ihr Schicksal aus oder verarbeiten die Geschichte ihres Scheiterns in unterhaltsamen Dokumentarfilmen. 



Neue Krisenerkennung?

www.crashdotcom.de



Neue Krisenkommunikation?
www.pinkslipparty.de



Neue Krisenbewältigung?
www.startupdotcom-
themovie.com

Betriebswirtschaftliches Krisenmanagement:
Verkürzter Krisenverlauf in der New Economy

Dr. Michael Axhausen, Partner im Bereich FAS Corporate Restructuring bei der KPMG Deutsche Treuhand- Gesellschaft AG in Hamburg, skizzierte in seinem Vortrag die betriebswirtschaftlichen Aspekte des Krisenmanagements in der New Economy. Kennzeichnend für die "neue Wirtschaft" seien insbesondere ein deutlich kürzerer Krisenverlauf, die vielfach unterlassene Integration von "Zukäufen" in das bestehende Unternehmen sowie eine häufig fehlende Verrechnung der relativ hohen Gemeinkostenanteile auf einzelne Produkte und Projekte - kurz: eine mangelhafte Kostenträger- und Prozeßkostenrechnung.



Dr. Michael Axhausen

Am Beispiel von Boo.com erläuterte Axhausen den Aufstieg und Fall eines Unternehmens aus der New Economy. Innerhalb nur eines Jahres - von März 1999 bis März 2000 - "verbrannte" der US-amerikanische Online-Shop für Sportbekleidung und Modeartikel mehr als 100 Millionen US- Dollar. Schon das anfängliche Geschäftsmodell des Unternehmens war - nach Ansicht von Axhausen - fehlerhaft. Allein die geplante simultane Markteinführung in 18 Ländern und sieben Sprachen stellte für das junge Start-Up eine nur schwer zu bewältigende Herausforderung dar. Außerdem erwarten die Kunden bei einem "Blind-Kauf" über das Internet im Regelfall deutliche Preisnachlässe. Demgegenüber hat Boo.com seine Produkte zum regulären Einzelhandelspreis verkauft.

Als Ausweg aus dem Dilemma empfahl Axhausen eine Orientierung an den Erfolgsrezepten der "One Economy" mit den vier Komponenten "tragfähiges Geschäftsmodell", "adäquate Kapitalausstattung", "starkes Management" und "konkreter Maßnahmenplan" sowie einem "Plan B". Kommt es zu einer existenzbedrohenden Krise kann das Unternehmen einerseits die Möglichkeiten einer offenen und stillen Liquidation, eines Verkaufs und einer Fusion mit einem anderen Unternehmen in Erwägung ziehen. Um die Krise als Chance zu nutzen, sollte auch eine Restrukturierung mit Maßnahmen zur Kostenreduzierung ("Cost Cutting") und strategischen Neuausrichtung des Unternehmen nicht aus den Augen verloren werden.

Juristisches Krisenmanagement:
Neue Sanierungsperspektiven für New Economy- Unternehmen

Dr. Utz Brömmekamp und Oliver Oechsle, Partner der MBB Consult GmbH in Düsseldorf, widmeten sich in ihrem Vortrag den juristischen Aspekten einer Krisenbewältigung in New Economy-Unternehmen und gaben einen Überblick über die neue Insolvenzordnung. "Neu" am Gesetzestext ist zum einen die Schaffung eines "zweiten Weges" zur Gläubigerbefriedigung. Neben dem Regelinsolvenzverfahren - also der Gesamtvollstreckung nach den gesetzlichen Vorschriften - ermöglicht das neue Insolvenzrecht auch eine autonome Verfahrensgestaltung durch die Gläubiger im sogenannten Planverfahren. Zum anderen wurde der Insolvenzgrund der "drohenden Zahlungsunfähigkeit" - zusätzlich zur realisierten Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung - ergänzt. Eng damit verbunden ist eine zweistufige Überschuldungsprüfung, die bei der Bestimmung des Schuldnervermögens auch eine mögliche Fortführung des Unternehmens in Betracht zieht.



Dr. Utz Brömmekamp

Oliver Oechsle

Problematisch bei einer Sanierung von Unternehmen der New Economy sind insbesondere zwei Aspekte: Zum einen der relativ hohe Anteil an immateriellen Vermögensgegenständen gegenüber einem verhältnismäßig geringen Sachanlagevermögen und zum anderen ein verhältnismäßig hoher Eigenkapitalanteil gegenüber relativ geringen Verbindlichkeiten. Hierdurch kann bei einer Schieflage nicht im gewohnten Maß auf stille Reserven im Anlagevermögen zurückgegriffen werden. Außerdem erscheint eine Nachfinanzierung über Kreditinstitute eher unwahrscheinlich. Vorteilhaft ist jedoch, daß die wertvollen, nicht aktivierungsfähigen Vermögensgegenstände in der New Economy - wie Markenrechte und Domainnamen - eine relativ hohe Attraktivität für potentielle Investoren haben und daher eine Fortführung vielfach sinnvoll erscheint.

Nach Ansicht von Brömmekamp und Oechsle eignet sich prinzipiell jedes Unternehmen - auch aus der New Economy - für eine Sanierung, sofern Markt, Kunden und Geschäftsmodell dieses erlauben. Die Kapitalzuführung kann sowohl in den bestehenden Rechtsträger erfolgen - ein solches Vorgehen sorgt im allgemeinen für relative Ruhe im Umfeld des Unternehmens. Möglich ist auch eine Übertragung des operativen Betriebs auf einen neuen Rechtsträger und eine anschließende Kapitalzuführung in das neu gegründete Unternehmen. Hierdurch verbleibt allerdings das Risiko des Involvenzverfahrens beim alten Unternehmen. Eine Fusion und Verschmelzung auf ein solventes neues Unternehmen eröffnet zudem steuerliche Gestaltungsspielräume.

Kommunikatives Krisenmanagement:
"Hate-Sites" und "Echtzeitkommunikation"
als Herausforderungen für die New Economy

Dipl.-Kfm. Frank Roselieb, Krisenforscher am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel und Herausgeber des Krisennavigators, erläuterte in seinem Vortrag die kommunikativen Aspekte der Krisenbewältigung in der New Economy. Die Kunden und Lieferanten, Mitarbeiter und Investoren der New Economy-Unternehmen warten im Regelfall nicht auf die Tageszeitung am nächsten Morgen. Sie informieren sich sofort online über kritische Ereignisse. Schweigt das betroffene Unternehmen oder bestätigt es nur das, was sich nicht länger leugnen läßt, wird es unglaubwürdig und gibt die Informationsführerschaft an andere ab. Ein gefährliches Informationsvakuum entsteht. Anstelle des Unternehmens kommentieren dann Kunden, Medien, Wettbewerbsunternehmen und selbsternannte "Experten" die Geschehnisse.



Frank Roselieb

Leidvoll erfahren mußte dieses das junge Internet-Unternehmen Strato Medien AG aus Berlin. Als Managementquerelen und Gerüchte über einen bevorstehenden Unternehmensverkauf die Mitarbeiter des sehr erfolgreichen Start-Up verunsicherten und temporäre Serverausfälle sowie immer schlechter werdender Kundenservice die Vertragspartner des New Economy-Unternehmens auf die Barrikaden trieben, schwieg die Unternehmensleitung anfangs beharrlich - ganz im Gegensatz zu den Kunden. Bereits wenige Tage nach den ersten Negativmeldungen organisierten sich diese im Netz und kommentierten die Ereignisse fortan in zahlreichen Verbraucherportalen sowie auf "Hate Sites". Viele Medien griffen die wütenden Kommentare willig auf - frei nach dem Motto "Only bad news are good news".

Roselieb empfiehlt daher New Economy-Unternehmen schon im Routinegeschäft - also in der potentiellen Krisenphase - mögliche Krisenherde zu identifizieren, das richtige Verhalten in Krisenübungen einzustudieren und dieses anschließend in Krisenhandbüchern zu dokumentieren. Hilfreich sei außerdem die Vorbereitung sogenannter "Dark-Sites" - also von Internet-Seiten mit Hintergrundinformationen über das Unternehmen, seine Produkte und Führungskräfte, die im Ernstfall freigeschaltet werden. Wird die Krise akut, müssen die betroffenen Unternehmen unmittelbar - quasi in "Echtzeit" - zu den Geschehnissen Stellung nehmen. Die Hinzuziehung externer Berater ist fast immer unerläßlich. Diese entlasten das Krisenunternehmen einerseits personell und vermeiden andererseits die gefährliche "Betriebsblindheit". Zieht das Unternehmen nach der durchlebten Krise glaubwürdig Lehren aus den Ereignissen und entschuldigt es sich unmißverständlich bei den Betroffenen, kann es gestärkt aus den Ereignissen hervorgehen. Krisenmanagement wird so zum Chancenmanagement.

Risikomanagement:
Von der Pflicht zur Kür der Krisenprävention
in New Economy-Unternehmen

Dr. Werner Gleißner, geschäftsführender Gesellschafter der RMCE RiskCon GmbH in Leinfelden-Echterdingen, verdeutlichte in seinem Vortrag, wie Unternehmen der New Economy durch Systeme des Risikomanagements einen wertvollen Beitrag zur Krisenprävention leisten können. Nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) sind börsennotierte Unternehmen verpflichtet, Systeme zur Frühwarnung und zum Risikomanagement einzurichten. Der Gesetzgeber geht dabei auch von einer Ausstrahlungswirkung auf andere Rechtsformen - insbesondere die GmbH - aus. Moderne Risikomanagementansätze werden aber nicht nur den gesetzlichen Anforderungen des KonTraG gerecht. Sie liefern vielmehr zahlreiche Ansatzpunkte für eine wertorientierte Unternehmenssteuerung.



Dr. Werner Gleißner

Nach Ansicht von Gleißner sollte das Risikomanagement schon bei der Unternehmensgründung im Rahmen der Beurteilung von Geschäftsplänen zur Anwendung kommen. Die traditionelle, kennzahlengestützte Risikobeurteilung von Gründungskonzeptionen ist im allgemeinen unbefriedigend, da einerseits die kombinierten Wirkungen von möglicherweise abhängigen Einzelrisiken nicht betrachtet werden und andererseits Wahrscheinlichkeiten für mögliche Planabweichungen häufig fehlen. Ziel sollte daher vielmehr eine simultane, quantitative Risikoanalyse sein. Dabei werden die aggregierte Gesamtrisikoposition des Unternehmens auf der einen Seite und die Risikotragfähigkeit auf der anderen Seite miteinander verglichen. Zentraler Bewertungsmaßstab von Business Plänen ist - nach Gleißner - der dadurch geschaffene Unternehmenswert.

Gleißner empfiehlt New Economy-Unternehmen ein sechsstufiges Risikomanagement-Konzept mit den Phasen Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikoaggregation, Risikobewältigung, Systemgestaltung und Schaffung einer Risikokultur. Die Aggregation und Quantifizierung von Risiken erfolgt dabei mit Hilfe der sogenannten Monte-Carlo-Simulation. Das unternehmensspezifische Risikogleichgewicht ist erreicht, wenn der Risikoumfang und die Risikotragfähigkeit ausgeglichen sind. Letztere wird maßgeblich von der Größe des Eigenkapitals und von der Liquiditätsreserve des Unternehmens bestimmt. Ein objektiver, KonTraG-konformer "Risikoreport" steigert nicht zuletzt die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Banken gewähren bei einer hohen Transparenz der Risikosituation dem Kreditnehmer im Regelfall günstigere Kredite.

Investor Realtions:
Damit der Börsengang nicht zum Börsen-GAU wird

Claus Schönberner und Cornelia Szyszkowitz von der Kommunikations-Agentur Ketchum GmbH in München widmeten sich in ihrem Vortrag der Frage, wie durch Investor Relations - also zielgerichtete Kommunikation mit der "Financial Community" - ein Börsen-GAU nach dem Börsengang (IPO) von New Economy-Unternehmen verhindert werden kann. Nach Ansicht der beiden Berater bietet der IPO dem Unternehmen eine einzigartige Kommunikationschance. Durch einen gelungenen Börsengang wird einerseits ein glaubwürdiges Unternehmensimage aufgebaut und andererseits das Vertrauen der "Financial Community" in das Unternehmen gestärkt. Nach dem IPO sollte durch kontinuierliche Weiterentwicklung des Unternehmensimages ein Schutz vor Krisenanfälligkeit geschaffen und die Aktionärsbindung vertieft werden.



Claus Schönberner



Cornelia Szyszkowitz

Drei Phasen der Investor Relations lassen sich bei New Economy Unternehmen unterscheiden. In der Phase vor dem Börsengang entwickeln die Start-Up-Unternehmen - durch die enorme Wachstumsgeschwindigkeit der bearbeiteten Märkte und durch den Druck zur raschen Expansion - einen hohen Bedarf an "Fresh Money". Unsichere und häufig langwierige Finanzierungsrunden sowie eine nicht selten falsche Auswahl der Kapitalgeber beinhalten in dieser Phase ein zusätzliches Krisenpotential. Hilfestellung bieten - neben einem überzeugenden Geschäftsmodell - die klare Definition von Kommunikationsbotschaften ("Key Messages"), die Analyse der Krisenpotentiale ("Vulnerability Assessment") sowie die Erarbeitung einer Antwortstrategie zu kritischen Fragen ("Hot Issues").

In der zweiten Phase - beim Going Public - stehen die New Economy-Unternehmen vor einer doppelten Herausforderung. Zum einen müssen sie ihren vergleichsweise unbekannten (Marken-)Namen rasch bekannt machen. Zum anderen sind die Produkte und Dienstleistungen der New Economy-Firmen stark erklärungsbedürftig. Ein schlechtes "Timing" beim Börsengang und ein nicht selten überfordertes Management-Team verschärfen die Lage zusätzlich. In dieser Situation hilft den Börsenkandidaten eine Orientierung an den zehn goldenen IPO-Regeln der beiden Ketchum-Berater. Diese reichen von einem realistischen IPO-Kommunikationsplan bis zum richtigen Verhalten in der Krise. In der dritten Phase - der Zeit nach dem Börsengang - drohen weitere Gefahren beispielsweise durch "Todeslisten" in der Wirtschaftspresse und "Meinungsmacher" im Internet. Die regelmäßige und zeitnahe Kommunikation mit der "Financial Community" und ein aktives Issues Management können diese Krisenherde entschärfen.

Sicherheitsmanagement:
Krisenprävention bei Bedrohungen aus dem Internet

Jörg Helmut Trauboth, geschäftsführender Gesellschafter der TRM Trauboth Risk Management GmbH in Sankt Augustin bei Bonn, verdeutlichte in seinem Vortrag, wie durch Konzepte des Sicherheitsmanagements Angriffe auf Menschen, Produkte und Unternehmensimages erfolgreich abgewehrt und eingetretene Schäden minimiert werden können. Für Trauboth sind Krisen solche Ereignisse, die den Bestand des betroffenen Unternehmens als Ganzes oder wesentlicher Unternehmensteile gefährden. Das Spektrum möglicher Krisenursachen reicht vom Informationsverlust durch Wirtschaftsspionage über Erpressungen leitender Mitarbeiter bis hin zu Bedrohungen aus dem Internet.



Jörg Helmut Trauboth

Gerade Unternehmen der New Economy unterschätzen häufig die Gefahren, die durch wirtschaftskriminelle Handlungen über das Internet drohen. Hierzu zählen - nach Trauboth - "Viren, Würmer und Trojaner" genauso wie Serverattacken, Softwarepiraterie und Datenausspähung. Vorteilhaft für die Täter wirkt sich einerseits aus, daß über das Internet E-Mails auch ohne oder mit gefälschter Absenderkennung verschickt und empfangen werden können. Andererseits ermöglicht die Struktur des weltweiten Datennetzes den Tätern einen (fast) grenzenlosen Aktionsradius. Verschärft wird die Situation für die betroffenen Unternehmen zusätzlich dadurch, daß das Profiling von Internet-Kriminellen relativ schwierig ist und bei Auslandserpressungen Koordinationsschwierigkeiten von - nicht selten internetunkundigen - Behörden die Festnahmechancen deutlich mindern.

Zum Schutz vor kriminellen Aktivitäten über das Internet empfiehlt Trauboth die Erstellung eines IT-Schutzkonzeptes. Dieses umfaßt u.a. den Einsatz von kryptographischen Sicherungstechniken - wie digitalen Signaturen und Public Key Infrastrukturen, die Sensibilisierung und periodische Schulung des Personals, die Nutzung von Stand-Alone-Lösungen und regelmäßige externe Sicherheitsüberprüfungen. Professionelles Krisenmanagement beinhaltet nach Trauboth außerdem die Erstellung eines Krisenplans, die Schaffung einer einsatzfähigen Krisenorganisation sowie professionelle Krisenkommunikation mit offener Informationspolitik im Ernstfall.

Abschlußdiskussion:
Was wird aus der New Economy?

Kai Kremer von der Helaba Beteiligungsmangement GmbH (Frankfurt am Main), Andreas Pulver von der ad tempus consulting Gesellschaft für Unternehmensmanagement mbH (Frankfurt am Main) und Cornelia Szyszkowitz von der Ketchum GmbH (München) diskutierten zum Abschluß des Kongresses mit den Teilnehmern des "Krisengipfels" über die Zukunftsperspektiven der New Economy. Zunächst stellten die Diskutanten klar, daß die Teilung in "Old Economy" und "New Economy" wenig Sinn macht, da das Risiko- und Krisenmanagement in beiden Bereichen relativ ähnlich ist. Es unterscheiden sich lediglich die Risikoprofile und Krisenursachen, so daß eher von einer "One Economy", "True Economy" oder "Real Economy" gesprochen werden sollte.

Von links nach rechts: Szyszkowitz,
Trauboth, Axhausen, Pulver.

Zur Frage, wer schuld am Debakel der New Economy ist, wollte sich keiner der Diskutanten so recht äußern. Sicherlich haben manche Firmenkundenbetreuer in den Kreditinstituten Geschäftspläne von Start-Up-Unternehmen abgesegnet, die auf Sand gebaut waren. Aber auch die Gründer selbst haben vielfach eine andere Haltung zum Geld der Investoren, die sich nun ändern muß. Versöhnlicher wurde es zum Schluß der Diskussion. Fast alle Diskussionsteilnehmer machten deutlich, daß Krisenzeiten stets auch Chancenzeiten sind. Durch die derzeitige Schieflage wird so manches New Economy-Unternehmen gezwungen, sich auf seine Kernkompetenzen zu besinnen. Ganz neue Wachstumspotentiale können hieraus entstehen.

Impressionen

Presseveröffentlichungen

Die folgenden Medien haben über den "Krisengipfel" zur New Economy berichtet:

www.crn.de

  • "Den Kopf nicht in den Sand stecken", von Martin Fryba, in: Computer Reseller News - Die Zeitschrift für Fachhändler, Integratoren und Systemhäuser, 7. Jahrgang (2001), Ausgabe Nr. 25 (21. Juni), Seite 20 bis 21

www.taz.de

  • "Ein Web ist noch kein Geschäft", von Gernot Knödler, in: die tageszeitung, 23. Jahrgang (2001), Ausgabe Nr. 6466 (9. und 10. Juni), Seite 9

  • "Für den Ernstfall gewappnet", in: Net Investor - Das Internet Wirtschaftsmagazin, 5. Jahrgang (2001), Heft 6 (Juni), Seite 56

www.wirtschafts-nachrichten.de

  • "Universität Kiel: 'Krisengipfel' zur New Economy am 7. Juni", in: Wirtschaftsnachrichten - Unabhängige Zeitschrift für Unternehmer", 46. Jahrgang (2001), Ausgabe Nr. 5 (Mai), Seite 54

  • "Startup: Dem großen Crash gehen viele kleine Warnzeichen voraus", von Christian Schwan, in: Net-Business.de, 30. April 2001, Seite www.net-business.de

  • "e-news-talk: Kieler Krisengipfel", in: e-Business - Das Magazin für die Internet-Wirtschaft, 1. Jahrgang (2001), Ausgabe Nr. 9 (23. April), Seite 15

www.kn-online.de

  • "Strategien für Firmen in der Krise", von Jörn Genoux, in: Kieler Nachrichten, Jahrgang 2001, Nr. 90 (18. April), Seite 31

www.ibusiness.de

  • "Krisengipfel soll Startups Krisenmanagement beibringen", in: www.ibusiness.de - Interactive Business NET im HighText Verlag, 9. April 2001, Seite www.ibusiness.de

www.stern.de

  • "Campus & Karriere: 'Krisengipfel' der New Economy", in: www.stern.de, 6. April 2001, Seite www.stern.de

Ansprechpartner

Frank Roselieb
Krisennavigator - Institut für Krisenforschung
Ein Spin-Off der Universität Kiel
Schauenburgerstraße 116
D-24118 Kiel
Telefon: +49 (0)431 907 - 26 10
Telefax: +49 (0)431 907 - 26 11
Internet: www.krisennavigator.de
E-Mail: roselieb@krisennavigator.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
4. Jahrgang (2001), Ausgabe 6 (Juni)

Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

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Risiko- und Krisenmanagement
in der New Economy

von Frank Roselieb

Überblick

Stürzende Börsenkurse am Neuen Markt, "Todeslisten" in der Wirtschaftspresse und wütender Kundenprotest auf "Hate Sites" und Verbraucherportalen im Internet verunsichern viele Führungskräfte in der New Economy. Auch Bankenvertreter, Venture Capital-Geber und Krisenberater in den Industrie- und Handelskammern machen sich zunehmend Sorgen um die künftige Entwicklung der "neuen Wirtschaft".

Auf Einladung des Krisennavigator trafen sich am 7. Juni 2001, Führungskräfte aus der neuen und alten Wirtschaft sowie Vertreter von Banken, Venture Capital Gesellschaften, Branchenverbänden und Beratungsunternehmen zu einem "Krisengipfel" an der Universität Kiel. Im Rahmen der Veranstaltung haben erfahrene Sanierungsberater, Kommunikationsspezialisten und Juristen über zweckmäßige Strategien zur Krisenprävention und das richtige Verhalten im Ernstfall informiert.

Audimax der Kieler Universität

Eine begleitende Fachausstellung im Foyer des Audimax der Kieler Universität hat zu Expertengesprächen unter "vier Augen" eingeladen. Vertreten waren u.a. KPMG AG, Ketchum GmbH, MBB Consult GmbH, RMCE RiskCon GmbH und Trauboth Risk Management GmbH. Die eintägige Veranstaltung wurde abgerundet von einer Podiumsdiskussion zu den Perspektiven der New Economy. Medienpartner des Kongresses war das Internet-Wirtschaftsmagazin NET INVESTOR aus München.

Die Vorträge des "Krisengipfels" und zahlreiche weitere Beiträge zum Thema sind im folgenden Sammelband enthalten:

   

Frank Roselieb (Hrsg.), Die Krise managen -
5 wertsteigernde Strategien für die Internetwirtschaft, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main, 2002, 248 Seiten, EUR 25.90, ISBN 3-934191-71-1

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Agenda

Einführung:
New Economy = neues Krisenmanagement?

Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hauschildt, Direktor am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, begrüßte - stellvertretend für die gastgebende Universität - knapp 50 Teilnehmer aus Wirtschaftspraxis und Wissenschaft, von Medien und öffentlichen Einrichtungen im Audimax der Kieler Universität. Anschließend führte Frank Roselieb, Herausgeber des Krisennavigator und Veranstalter des Kongresses, in das Thema des "Krisengipfels" ein. 



Prof. Dr. Dr. h.c.
Jürgen Hauschildt


 
Frank Roselieb

Für den Krisenforscher am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Kieler Universität hat die New Economy - verstanden als Gesamtheit aller Unternehmen, die Spitzentechnologie herstellen oder auf ihr basieren - Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig verändert. Neben einer neuen Sprache und einem neuen Kapitalmarkt scheint die New Economy auch den Faktor "Arbeit" neu definiert zu haben. Aus den einst "superglücklichen Malochern" ("Die Zeit" - Ausgabe 29/2000) sind - durch Firmenpleiten und Entlassungswellen in der New Economy - zunehmend kritische Arbeitnehmer geworden, die neuerdings auch Gewerkschaften aufgeschlossen gegenüberstehen. 



Neue Sprache?
www.neweconomy-duden.de



Neuer Faktor "Kapital"?
www.neuermarkt.com 

 

Neuer Faktor "Arbeit"?
www.connexx- av.de

Auch die Mechanismen, mit denen Krisen in der New Economy erkannt, kommuniziert und bewältigt werden, unterscheiden sich von denen der "alten Wirtschaft". So lädt beispielsweise der Online-Dienst www.crashdotcom.de zur Wahl des "dümmsten DotCom Deutschlands" (DDD) ein. Entlassene aus Unternehmen der New Economy tauschen sich auf sogenannten "Pink Slip Parties" über ihr Schicksal aus oder verarbeiten die Geschichte ihres Scheiterns in unterhaltsamen Dokumentarfilmen. 



Neue Krisenerkennung?

www.crashdotcom.de



Neue Krisenkommunikation?
www.pinkslipparty.de



Neue Krisenbewältigung?
www.startupdotcom-
themovie.com

Betriebswirtschaftliches Krisenmanagement:
Verkürzter Krisenverlauf in der New Economy

Dr. Michael Axhausen, Partner im Bereich FAS Corporate Restructuring bei der KPMG Deutsche Treuhand- Gesellschaft AG in Hamburg, skizzierte in seinem Vortrag die betriebswirtschaftlichen Aspekte des Krisenmanagements in der New Economy. Kennzeichnend für die "neue Wirtschaft" seien insbesondere ein deutlich kürzerer Krisenverlauf, die vielfach unterlassene Integration von "Zukäufen" in das bestehende Unternehmen sowie eine häufig fehlende Verrechnung der relativ hohen Gemeinkostenanteile auf einzelne Produkte und Projekte - kurz: eine mangelhafte Kostenträger- und Prozeßkostenrechnung.



Dr. Michael Axhausen

Am Beispiel von Boo.com erläuterte Axhausen den Aufstieg und Fall eines Unternehmens aus der New Economy. Innerhalb nur eines Jahres - von März 1999 bis März 2000 - "verbrannte" der US-amerikanische Online-Shop für Sportbekleidung und Modeartikel mehr als 100 Millionen US- Dollar. Schon das anfängliche Geschäftsmodell des Unternehmens war - nach Ansicht von Axhausen - fehlerhaft. Allein die geplante simultane Markteinführung in 18 Ländern und sieben Sprachen stellte für das junge Start-Up eine nur schwer zu bewältigende Herausforderung dar. Außerdem erwarten die Kunden bei einem "Blind-Kauf" über das Internet im Regelfall deutliche Preisnachlässe. Demgegenüber hat Boo.com seine Produkte zum regulären Einzelhandelspreis verkauft.

Als Ausweg aus dem Dilemma empfahl Axhausen eine Orientierung an den Erfolgsrezepten der "One Economy" mit den vier Komponenten "tragfähiges Geschäftsmodell", "adäquate Kapitalausstattung", "starkes Management" und "konkreter Maßnahmenplan" sowie einem "Plan B". Kommt es zu einer existenzbedrohenden Krise kann das Unternehmen einerseits die Möglichkeiten einer offenen und stillen Liquidation, eines Verkaufs und einer Fusion mit einem anderen Unternehmen in Erwägung ziehen. Um die Krise als Chance zu nutzen, sollte auch eine Restrukturierung mit Maßnahmen zur Kostenreduzierung ("Cost Cutting") und strategischen Neuausrichtung des Unternehmen nicht aus den Augen verloren werden.

Juristisches Krisenmanagement:
Neue Sanierungsperspektiven für New Economy- Unternehmen

Dr. Utz Brömmekamp und Oliver Oechsle, Partner der MBB Consult GmbH in Düsseldorf, widmeten sich in ihrem Vortrag den juristischen Aspekten einer Krisenbewältigung in New Economy-Unternehmen und gaben einen Überblick über die neue Insolvenzordnung. "Neu" am Gesetzestext ist zum einen die Schaffung eines "zweiten Weges" zur Gläubigerbefriedigung. Neben dem Regelinsolvenzverfahren - also der Gesamtvollstreckung nach den gesetzlichen Vorschriften - ermöglicht das neue Insolvenzrecht auch eine autonome Verfahrensgestaltung durch die Gläubiger im sogenannten Planverfahren. Zum anderen wurde der Insolvenzgrund der "drohenden Zahlungsunfähigkeit" - zusätzlich zur realisierten Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung - ergänzt. Eng damit verbunden ist eine zweistufige Überschuldungsprüfung, die bei der Bestimmung des Schuldnervermögens auch eine mögliche Fortführung des Unternehmens in Betracht zieht.



Dr. Utz Brömmekamp

Oliver Oechsle

Problematisch bei einer Sanierung von Unternehmen der New Economy sind insbesondere zwei Aspekte: Zum einen der relativ hohe Anteil an immateriellen Vermögensgegenständen gegenüber einem verhältnismäßig geringen Sachanlagevermögen und zum anderen ein verhältnismäßig hoher Eigenkapitalanteil gegenüber relativ geringen Verbindlichkeiten. Hierdurch kann bei einer Schieflage nicht im gewohnten Maß auf stille Reserven im Anlagevermögen zurückgegriffen werden. Außerdem erscheint eine Nachfinanzierung über Kreditinstitute eher unwahrscheinlich. Vorteilhaft ist jedoch, daß die wertvollen, nicht aktivierungsfähigen Vermögensgegenstände in der New Economy - wie Markenrechte und Domainnamen - eine relativ hohe Attraktivität für potentielle Investoren haben und daher eine Fortführung vielfach sinnvoll erscheint.

Nach Ansicht von Brömmekamp und Oechsle eignet sich prinzipiell jedes Unternehmen - auch aus der New Economy - für eine Sanierung, sofern Markt, Kunden und Geschäftsmodell dieses erlauben. Die Kapitalzuführung kann sowohl in den bestehenden Rechtsträger erfolgen - ein solches Vorgehen sorgt im allgemeinen für relative Ruhe im Umfeld des Unternehmens. Möglich ist auch eine Übertragung des operativen Betriebs auf einen neuen Rechtsträger und eine anschließende Kapitalzuführung in das neu gegründete Unternehmen. Hierdurch verbleibt allerdings das Risiko des Involvenzverfahrens beim alten Unternehmen. Eine Fusion und Verschmelzung auf ein solventes neues Unternehmen eröffnet zudem steuerliche Gestaltungsspielräume.

Kommunikatives Krisenmanagement:
"Hate-Sites" und "Echtzeitkommunikation"
als Herausforderungen für die New Economy

Dipl.-Kfm. Frank Roselieb, Krisenforscher am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel und Herausgeber des Krisennavigators, erläuterte in seinem Vortrag die kommunikativen Aspekte der Krisenbewältigung in der New Economy. Die Kunden und Lieferanten, Mitarbeiter und Investoren der New Economy-Unternehmen warten im Regelfall nicht auf die Tageszeitung am nächsten Morgen. Sie informieren sich sofort online über kritische Ereignisse. Schweigt das betroffene Unternehmen oder bestätigt es nur das, was sich nicht länger leugnen läßt, wird es unglaubwürdig und gibt die Informationsführerschaft an andere ab. Ein gefährliches Informationsvakuum entsteht. Anstelle des Unternehmens kommentieren dann Kunden, Medien, Wettbewerbsunternehmen und selbsternannte "Experten" die Geschehnisse.



Frank Roselieb

Leidvoll erfahren mußte dieses das junge Internet-Unternehmen Strato Medien AG aus Berlin. Als Managementquerelen und Gerüchte über einen bevorstehenden Unternehmensverkauf die Mitarbeiter des sehr erfolgreichen Start-Up verunsicherten und temporäre Serverausfälle sowie immer schlechter werdender Kundenservice die Vertragspartner des New Economy-Unternehmens auf die Barrikaden trieben, schwieg die Unternehmensleitung anfangs beharrlich - ganz im Gegensatz zu den Kunden. Bereits wenige Tage nach den ersten Negativmeldungen organisierten sich diese im Netz und kommentierten die Ereignisse fortan in zahlreichen Verbraucherportalen sowie auf "Hate Sites". Viele Medien griffen die wütenden Kommentare willig auf - frei nach dem Motto "Only bad news are good news".

Roselieb empfiehlt daher New Economy-Unternehmen schon im Routinegeschäft - also in der potentiellen Krisenphase - mögliche Krisenherde zu identifizieren, das richtige Verhalten in Krisenübungen einzustudieren und dieses anschließend in Krisenhandbüchern zu dokumentieren. Hilfreich sei außerdem die Vorbereitung sogenannter "Dark-Sites" - also von Internet-Seiten mit Hintergrundinformationen über das Unternehmen, seine Produkte und Führungskräfte, die im Ernstfall freigeschaltet werden. Wird die Krise akut, müssen die betroffenen Unternehmen unmittelbar - quasi in "Echtzeit" - zu den Geschehnissen Stellung nehmen. Die Hinzuziehung externer Berater ist fast immer unerläßlich. Diese entlasten das Krisenunternehmen einerseits personell und vermeiden andererseits die gefährliche "Betriebsblindheit". Zieht das Unternehmen nach der durchlebten Krise glaubwürdig Lehren aus den Ereignissen und entschuldigt es sich unmißverständlich bei den Betroffenen, kann es gestärkt aus den Ereignissen hervorgehen. Krisenmanagement wird so zum Chancenmanagement.

Risikomanagement:
Von der Pflicht zur Kür der Krisenprävention
in New Economy-Unternehmen

Dr. Werner Gleißner, geschäftsführender Gesellschafter der RMCE RiskCon GmbH in Leinfelden-Echterdingen, verdeutlichte in seinem Vortrag, wie Unternehmen der New Economy durch Systeme des Risikomanagements einen wertvollen Beitrag zur Krisenprävention leisten können. Nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) sind börsennotierte Unternehmen verpflichtet, Systeme zur Frühwarnung und zum Risikomanagement einzurichten. Der Gesetzgeber geht dabei auch von einer Ausstrahlungswirkung auf andere Rechtsformen - insbesondere die GmbH - aus. Moderne Risikomanagementansätze werden aber nicht nur den gesetzlichen Anforderungen des KonTraG gerecht. Sie liefern vielmehr zahlreiche Ansatzpunkte für eine wertorientierte Unternehmenssteuerung.



Dr. Werner Gleißner

Nach Ansicht von Gleißner sollte das Risikomanagement schon bei der Unternehmensgründung im Rahmen der Beurteilung von Geschäftsplänen zur Anwendung kommen. Die traditionelle, kennzahlengestützte Risikobeurteilung von Gründungskonzeptionen ist im allgemeinen unbefriedigend, da einerseits die kombinierten Wirkungen von möglicherweise abhängigen Einzelrisiken nicht betrachtet werden und andererseits Wahrscheinlichkeiten für mögliche Planabweichungen häufig fehlen. Ziel sollte daher vielmehr eine simultane, quantitative Risikoanalyse sein. Dabei werden die aggregierte Gesamtrisikoposition des Unternehmens auf der einen Seite und die Risikotragfähigkeit auf der anderen Seite miteinander verglichen. Zentraler Bewertungsmaßstab von Business Plänen ist - nach Gleißner - der dadurch geschaffene Unternehmenswert.

Gleißner empfiehlt New Economy-Unternehmen ein sechsstufiges Risikomanagement-Konzept mit den Phasen Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikoaggregation, Risikobewältigung, Systemgestaltung und Schaffung einer Risikokultur. Die Aggregation und Quantifizierung von Risiken erfolgt dabei mit Hilfe der sogenannten Monte-Carlo-Simulation. Das unternehmensspezifische Risikogleichgewicht ist erreicht, wenn der Risikoumfang und die Risikotragfähigkeit ausgeglichen sind. Letztere wird maßgeblich von der Größe des Eigenkapitals und von der Liquiditätsreserve des Unternehmens bestimmt. Ein objektiver, KonTraG-konformer "Risikoreport" steigert nicht zuletzt die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Banken gewähren bei einer hohen Transparenz der Risikosituation dem Kreditnehmer im Regelfall günstigere Kredite.

Investor Realtions:
Damit der Börsengang nicht zum Börsen-GAU wird

Claus Schönberner und Cornelia Szyszkowitz von der Kommunikations-Agentur Ketchum GmbH in München widmeten sich in ihrem Vortrag der Frage, wie durch Investor Relations - also zielgerichtete Kommunikation mit der "Financial Community" - ein Börsen-GAU nach dem Börsengang (IPO) von New Economy-Unternehmen verhindert werden kann. Nach Ansicht der beiden Berater bietet der IPO dem Unternehmen eine einzigartige Kommunikationschance. Durch einen gelungenen Börsengang wird einerseits ein glaubwürdiges Unternehmensimage aufgebaut und andererseits das Vertrauen der "Financial Community" in das Unternehmen gestärkt. Nach dem IPO sollte durch kontinuierliche Weiterentwicklung des Unternehmensimages ein Schutz vor Krisenanfälligkeit geschaffen und die Aktionärsbindung vertieft werden.



Claus Schönberner



Cornelia Szyszkowitz

Drei Phasen der Investor Relations lassen sich bei New Economy Unternehmen unterscheiden. In der Phase vor dem Börsengang entwickeln die Start-Up-Unternehmen - durch die enorme Wachstumsgeschwindigkeit der bearbeiteten Märkte und durch den Druck zur raschen Expansion - einen hohen Bedarf an "Fresh Money". Unsichere und häufig langwierige Finanzierungsrunden sowie eine nicht selten falsche Auswahl der Kapitalgeber beinhalten in dieser Phase ein zusätzliches Krisenpotential. Hilfestellung bieten - neben einem überzeugenden Geschäftsmodell - die klare Definition von Kommunikationsbotschaften ("Key Messages"), die Analyse der Krisenpotentiale ("Vulnerability Assessment") sowie die Erarbeitung einer Antwortstrategie zu kritischen Fragen ("Hot Issues").

In der zweiten Phase - beim Going Public - stehen die New Economy-Unternehmen vor einer doppelten Herausforderung. Zum einen müssen sie ihren vergleichsweise unbekannten (Marken-)Namen rasch bekannt machen. Zum anderen sind die Produkte und Dienstleistungen der New Economy-Firmen stark erklärungsbedürftig. Ein schlechtes "Timing" beim Börsengang und ein nicht selten überfordertes Management-Team verschärfen die Lage zusätzlich. In dieser Situation hilft den Börsenkandidaten eine Orientierung an den zehn goldenen IPO-Regeln der beiden Ketchum-Berater. Diese reichen von einem realistischen IPO-Kommunikationsplan bis zum richtigen Verhalten in der Krise. In der dritten Phase - der Zeit nach dem Börsengang - drohen weitere Gefahren beispielsweise durch "Todeslisten" in der Wirtschaftspresse und "Meinungsmacher" im Internet. Die regelmäßige und zeitnahe Kommunikation mit der "Financial Community" und ein aktives Issues Management können diese Krisenherde entschärfen.

Sicherheitsmanagement:
Krisenprävention bei Bedrohungen aus dem Internet

Jörg Helmut Trauboth, geschäftsführender Gesellschafter der TRM Trauboth Risk Management GmbH in Sankt Augustin bei Bonn, verdeutlichte in seinem Vortrag, wie durch Konzepte des Sicherheitsmanagements Angriffe auf Menschen, Produkte und Unternehmensimages erfolgreich abgewehrt und eingetretene Schäden minimiert werden können. Für Trauboth sind Krisen solche Ereignisse, die den Bestand des betroffenen Unternehmens als Ganzes oder wesentlicher Unternehmensteile gefährden. Das Spektrum möglicher Krisenursachen reicht vom Informationsverlust durch Wirtschaftsspionage über Erpressungen leitender Mitarbeiter bis hin zu Bedrohungen aus dem Internet.



Jörg Helmut Trauboth

Gerade Unternehmen der New Economy unterschätzen häufig die Gefahren, die durch wirtschaftskriminelle Handlungen über das Internet drohen. Hierzu zählen - nach Trauboth - "Viren, Würmer und Trojaner" genauso wie Serverattacken, Softwarepiraterie und Datenausspähung. Vorteilhaft für die Täter wirkt sich einerseits aus, daß über das Internet E-Mails auch ohne oder mit gefälschter Absenderkennung verschickt und empfangen werden können. Andererseits ermöglicht die Struktur des weltweiten Datennetzes den Tätern einen (fast) grenzenlosen Aktionsradius. Verschärft wird die Situation für die betroffenen Unternehmen zusätzlich dadurch, daß das Profiling von Internet-Kriminellen relativ schwierig ist und bei Auslandserpressungen Koordinationsschwierigkeiten von - nicht selten internetunkundigen - Behörden die Festnahmechancen deutlich mindern.

Zum Schutz vor kriminellen Aktivitäten über das Internet empfiehlt Trauboth die Erstellung eines IT-Schutzkonzeptes. Dieses umfaßt u.a. den Einsatz von kryptographischen Sicherungstechniken - wie digitalen Signaturen und Public Key Infrastrukturen, die Sensibilisierung und periodische Schulung des Personals, die Nutzung von Stand-Alone-Lösungen und regelmäßige externe Sicherheitsüberprüfungen. Professionelles Krisenmanagement beinhaltet nach Trauboth außerdem die Erstellung eines Krisenplans, die Schaffung einer einsatzfähigen Krisenorganisation sowie professionelle Krisenkommunikation mit offener Informationspolitik im Ernstfall.

Abschlußdiskussion:
Was wird aus der New Economy?

Kai Kremer von der Helaba Beteiligungsmangement GmbH (Frankfurt am Main), Andreas Pulver von der ad tempus consulting Gesellschaft für Unternehmensmanagement mbH (Frankfurt am Main) und Cornelia Szyszkowitz von der Ketchum GmbH (München) diskutierten zum Abschluß des Kongresses mit den Teilnehmern des "Krisengipfels" über die Zukunftsperspektiven der New Economy. Zunächst stellten die Diskutanten klar, daß die Teilung in "Old Economy" und "New Economy" wenig Sinn macht, da das Risiko- und Krisenmanagement in beiden Bereichen relativ ähnlich ist. Es unterscheiden sich lediglich die Risikoprofile und Krisenursachen, so daß eher von einer "One Economy", "True Economy" oder "Real Economy" gesprochen werden sollte.

Von links nach rechts: Szyszkowitz,
Trauboth, Axhausen, Pulver.

Zur Frage, wer schuld am Debakel der New Economy ist, wollte sich keiner der Diskutanten so recht äußern. Sicherlich haben manche Firmenkundenbetreuer in den Kreditinstituten Geschäftspläne von Start-Up-Unternehmen abgesegnet, die auf Sand gebaut waren. Aber auch die Gründer selbst haben vielfach eine andere Haltung zum Geld der Investoren, die sich nun ändern muß. Versöhnlicher wurde es zum Schluß der Diskussion. Fast alle Diskussionsteilnehmer machten deutlich, daß Krisenzeiten stets auch Chancenzeiten sind. Durch die derzeitige Schieflage wird so manches New Economy-Unternehmen gezwungen, sich auf seine Kernkompetenzen zu besinnen. Ganz neue Wachstumspotentiale können hieraus entstehen.

Impressionen

Presseveröffentlichungen

Die folgenden Medien haben über den "Krisengipfel" zur New Economy berichtet:

www.crn.de

www.taz.de

www.wirtschafts-nachrichten.de

www.kn-online.de

www.ibusiness.de

www.stern.de

Ansprechpartner

Frank Roselieb
Krisennavigator - Institut für Krisenforschung
Ein Spin-Off der Universität Kiel
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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
4. Jahrgang (2001), Ausgabe 6 (Juni)

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Letzte Aktualisierung: Dienstag, 19. März 2024

       

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