Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 3 (März) - ISSN 1619-2389
 

Anfang vom Ende oder Chance für einen Neubeginn?
Zukunftsorientiertes Personalmanagement und
wertsteigernde Kommunikation bei Restrukturierungen

von Frank Roselieb

Überblick

Ob Großbank, mittelständisches Unternehmen oder Einrichtung der öffentlichen Hand - Meldungen über immer neue Stellenstreichungen verunsichern Mitarbeiter und Führungskräfte. Durch einseitigen Arbeitsplatzabbau und rigorose Kosteneinsparungen allein lassen sich Unternehmen und Behörden allerdings nur selten wieder auf Kurs bringen. Notwendig ist vielmehr ein ganzheitliches Restrukturierungskonzept, bei dem auch der "Faktor Mensch" und die begleitende Kommunikation mit den Marktpartnern berücksichtigt werden.

Auf Einladung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, einem "Spin-Off" der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, diskutierten am 11. Mai 2005 im Industrie-Club e.V. in Düsseldorf Personaldirektoren und Kommunikationsmanager aus Deutschland und Österreich die verschiedenen Facetten einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Restrukturierung. Medienpartner der Veranstaltung waren die Fachzeitschriften "Personal", "Arbeitgeber", "Personalwirtschaft" und "Pressesprecher". Gefördert wurde die Fachtagung auch von der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) mit Sitz in Hamburg.

Dreizehn Experten aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Beratungsgesellschaften und aus der Wissenschaft erläuterten in Fallstudien und Praxisberichten u.a. psychologische Aspekte der Führung und Motivation von verbleibenden Mitarbeitern nach Entlassungswellen, die Chancen und Risiken von Beschäftigungsgesellschaften, den Einsatz von personalwirtschaftlichen Kennzahlen im Restrukturierungsprozess sowie Konzepte einer begleitenden Unternehmenskommunikation. Fallbeispiele für erfolgreiche Restrukturierungsprozesse sowie deren kommunikative und personalwirtschaftliche Begleitung kamen u.a. von der Berliner Charité und vom Energieversorger Salzburg AG.

Impressionen

    

    

    

    

Medienpartner

Fallstudie I:
"Gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft" -
Wie die Fusion von SAFE und den Salzburger Stadtwerken
zur Salzburg AG gelungen ist

Dr. Michael Schaffer, Leiter Personalwirtschaft der Salzburg AG aus Salzburg, erläuterte in seinem Vortrag zunächst die Ziele der im April 2000 beschlossenen Fusion zwischen dem Landesenergieversorger SAFE und dem städtischen Infrastrukturunternehmen Salzburger Stadtwerke AG. Zum einen wurde angestrebt, aus den beiden bisherigen kommunalen Energieversorgungsunternehmen ein wettbewerbsfähiges Dienstleistungsunternehmen zu schaffen. Zum anderen sollte vor dem Hintergrund der bevorstehenden Liberalisierung des Strommarktes und den damit veränderten Marktbedingungen eine strategische Neuausrichtung der Geschäftsfelder erreicht werden.   

Das dritte Ziel der Fusion bestand in der Zusammenführung der Aufbau- und Ablauforganisation, der Unternehmenskulturen sowie in der Schaffung eines einheitlichen Führungssystems. Dies stellte in Anbetracht der jeweils eigenen Geschichte und gewachsenen Unternehmenskulturen der vormals konkurrierenden Unternehmen eine komplexe Aufgabe dar. Mittels einer Gestaltungspyramide wurden zunächst aus der Unternehmensstrategie der Salzburg AG (erste Ebene) sechs Unternehmensleitlinien abgeleitet (zweite Ebene). Diese dienten anschließend dazu, Anforderungskriterien an die Unternehmensorganisation (dritte Ebene) sowie notwendige Kompetenzen der Mitarbeiter zu bestimmen (vierte Ebene) und deren Erfüllung anhand bestimmter Indikatoren zu beurteilen (fünfte Ebene).

Der Personalbereich diente als "Motor" des Veränderungsprozesses. Gemeinsam mit dem Vorstand der Salzburg AG war er für die grundsätzliche strategische Ausrichtung der neuen Unternehmensarchitektur verantwortlich. Dabei arbeitete der Personalbereich unter den folgenden drei Prämissen: Das Personal beider Unternehmen sollte bei der Zuordnung der Tätigkeiten gleichbehandelt und "adäquat durchmischt" werden. Die Mitarbeiter wurden als entscheidender Faktor für das Gelingen der Fusion angesehen und folglich wurden keine fusionsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Schließlich war sicherzustellen, dass der gemeinsame Geschäftsbetrieb zum 1. Januar 2001 beginnen konnte.

Im Zuge der Fusion hatte der Personalbereich außerdem die folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erstens sollte mittels einer abgesicherten Erhebung ein Überblick über die Mitarbeiterkompetenzen beider Unternehmen gewonnen werden. Zweitens waren die Tätigkeitsanforderungen mit den Eignungen der Mitarbeiter in Einklang zu bringen. Drittens galt es, zur erfolgreichen Umsetzung schlanker Prozesse adäquate personalwirtschaftliche Lösungen zu entwickeln und diese umzusetzen. Das Engagement der Salzburg AG im Rahmen des Restrukturierungsprozesses wurde im Jahre 2002 mit dem "Human Resource Award of Excellence" ausgezeichnet.

Schwerpunkt "Strategie":
"Wenn aus weniger mehr werden soll" -
Stolpersteine und Erfolgsfaktoren des
Personalmanagements bei Restrukturierungen und Fusionen

Für Wolfgang Groß, Geschäftsbereichsleiter Handel bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH aus München, trägt die Ausgangssituation bei Restrukturierungen und Fusionen durchaus krisenhafte Züge. Spätestens ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Fusion herrscht im Unternehmen ein Ausnahmezustand: Mitarbeiter und Führungskräfte sind gleichermaßen verunsichert. Während erstere persönliche Karriereängste und unklare Zukunftsaussichten plagen, muss das Top- Management eine Vielzahl von Konflikten lösen und steht unter hohem Entscheidungsdruck.   

Ein wesentlicher Stolperstein des Personalmanagements bei Restrukturierungen und Fusionen ist insbesondere die Führungsschwäche von Entscheidungsträgern. Durch zu großes Harmoniestreben, fortwährenden Entscheidungsstau und geringe Faktenorientierung wird Vergangenes bewahrt und so manche "heilige Kuh" bis zuletzt verteidigt. Darüber hinaus stellt der fehlende Rückzug des Inhabers aus der Geschäftsführung häufig ein weiteres Restrukturierungshemmnis dar. "Verlässt der Kapitän das sinkende Schiff nicht", droht Bewegungslosigkeit und im Extremfall die Insolvenz. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass erfolgreiches Personalmanagement bei Restrukturierungen stets an der Spitze beginnt.

Konkret lassen sich in vier Bereichen personalwirtschaftliche Erfolgsfaktoren für gelungene Restrukturierungen identifizieren: Erstens muss das Unternehmen aus Betroffenen Beteiligte machen und hierdurch "winning teams" schaffen. In diesem Zusammenhang sollten zentrale Führungspositionen zügig besetzt und Leistungsträger an das Unternehmen gebunden werden. Zweitens gilt es, bei den Mitarbeitern das nötige "Commitment" für die Restrukturierung zu schaffen. Zu diesem Zweck ist eine frühzeitige, kontinuierliche und offene Kommunikation - auch von Teilerfolgen - genauso notwendig wie die Übereinstimmung von Worten und Taten des Unternehmens.
 
Drittens hat das Personalmanagement bei Restrukturierungen und Fusionen darauf zu achten, dass Entscheidungen zentral getroffen und die Restrukturierungsziele konsequent umgesetzt werden. Ein respektiertes Leitungsteam mit konzentrierter Entscheidungsmacht sowie ein kontinuierliches Umsetzungscontrolling sind hierfür erfolgskritisch. Bei Restrukturierungen ist der Betriebsfrieden durch zwangsläufig entstehende Konflikte stets latent bedroht. Viertens kommt es deshalb beim richtigen Umgang mit solchen Widerständen gegen den angestoßenen Wandlungsprozess - neben fachlichem Know-how - insbesondere auf das emotionale Gespür der Entscheidungsträger an.

Schwerpunkt "Psychologie":
"Innere Kündigungen vermeiden" -
Psychologische Aspekte der Führung von verbleibenden
Mitarbeitern nach betriebsbedingten Kündigungen

Marion Dreher M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Krisennavigator - Institut für Krisenforschung in Kiel, skizzierte zu Beginn ihres Vortrags die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Unternehmen in Deutschland. Im Jahr 2004 summierte sich die Zahl der Unternehmensschließungen auf mehr als 39.000 Insolvenzen und über 677.000 Liquidationen. Selbst Mitarbeiter, die von einer Betriebsschließung nicht akut betroffen sind, bangen vermehrt um ihren Arbeitsplatz. Nach einer aktuellen Umfrage der Initiative "Perspektive Deutschland" aus dem Jahr 2005 fürchten 42 Prozent der Befragten den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Rund 60 Prozent erwarten eine Verschlechterung ihrer persönlichen finanziellen Situation.   

Jobangst und betriebsbedingte Kündigungen bleiben auch bei den verbleibenden Mitarbeitern nicht ohne psychologische Folgen. Nach dem Ausmaß der empfundenen Angst und dem Grad an Offenheit gegenüber dem Veränderungsprozess werden vier Reaktionstypen unterschieden: Während der "Neugierige" dem Veränderungsprozess offen und ohne Angst gegenübersteht, zeichnet sich der "Stürmer" zwar durch ein hohes Maß an Offenheit, aber auch durch eine starke Angst gegenüber der Veränderung aus. "Konservierer" und "Absicherer" geben sich dagegen wesentlich "zugeknöpfter" und unterscheiden sich deutlich in dem Ausmaß der wahrgenommenen Angst. Als Folge der Jobangst kommt es bei den verbleibenden Mitarbeitern nicht selten zu psychischen und psychosomatischen Beschwerden, einer grundsätzlichen Blockadehaltung und zuweilen auch zu wirtschaftskriminellen Handlungen gegenüber dem Arbeitgeber.

Bei betriebsbedingten Kündigungen kommen in der Unternehmenspraxis beim Umgang mit Mitarbeitern in der Regel vier verschiedene Strategien zur Anwendung: Bei der ersten Strategie, "Business as usual", unterbleiben personalwirtschaftliche Maßnahmen komplett. In der Folge fühlen sich die Mitarbeiter "von denen da oben" im Stich gelassen. Demgegenüber setzt die zweite Strategie auf eine Erneuerung des psychologischen Kontrakts. Ziel ist es, durch eine offene Informationspolitik das Vertrauen der Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern. Die dritte Strategie, die "Revitalisierung", möchte durch gezielte Maßnahmen einer "Rundum-Betreuung" die Bindung der verbleibenden Mitarbeiter an das Unternehmen stärken. Bei der vierten Strategie, dem präventiven Kündigungsmanagement, fordert das Unternehmen die Mitarbeiter auf, aktiv an einer Lösung der Probleme mitzuarbeiten und damit ihren Teil zur Restrukturierung beizutragen.
 
Bei der Wahl einer personalwirtschaftlichen Restrukturierungsstrategie sollten stets mögliche Kosten durch vernachlässigte "Survivors" im Unternehmen - wie sinkende Arbeitsqualität, steigende Fehlzeiten und ein zunehmend schlechteres Betriebsklima - bedacht werden. Setzt das Unternehmen dagegen auf ein partnerschaftliches Kündigungsmanagement, können nicht selten arbeitsrechtliche Gegenmaßnahmen der entlassenen Mitarbeiter vermieden und die Folgekosten der Kündigung gesenkt werden. Auch die verbleibenden Mitarbeiter honorieren ein faires Kündigungsmanagement im Idealfall damit, dass sie motivierter und produktiver ihrer Arbeit nachgehen, sich wieder stärker mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und hierdurch einen wesentlichen Beitrag zur Wiederherstellung eines guten, leistungsorientierten Betriebsklimas erbringen.

Schwerpunkt "Kommunikation":
"Damit aus dem Stellenabbau kein Image-GAU wird" -
Unternehmens-, Mitarbeiter- und Kundenkommunikation
im Restrukturierungsprozess

Dr. Bernd Schuppener, geschäftsführender Gesellschafter der Hering Schuppener Unternehmensberatung für Kommunikation GmbH aus Frankfurt am Main, hob die Bedeutung einer professionellen Unternehmenskommunikation als Werttreiber im Restrukturierungsprozess hervor. Durch ein umfassendes Kommunikationsmanagement können die typische Risiken von Restrukturierungen minimiert und der Unternehmenswert insgesamt positiv beeinflusst werden. Ein solches Vorgehen scheitert in der Unternehmenspraxis aber häufig daran, dass den Unternehmen intern die Erfahrung, Kapazität und Disziplin zur systematischen Steuerung der Kommunikation fehlt. Außerdem sind zahlreiche rechtliche Vorgaben zu beachten.   

Wesentlich für den nachhaltigen Erfolg der Restrukturierungskommunikation ist die Berücksichtigung der externen und internen Zielgruppen des Unternehmens. Mitarbeiter, Führungskräfte und der Betriebsrat reagieren auf ein unzureichendes Kommunikationsmanagement nicht selten mit Arbeitsniederlegung, Sabotage oder erhöhtem Krankenstand. Fühlen sich die Geschäftspartner (Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner etc.) des Unternehmens schlecht über den Fortgang der Restrukturierung informiert, stornieren sie Aufträge, halten Lieferungen zurück oder kündigen die Kooperation ganz auf. Auch andere externe Zielgruppen (Kapitalmarkt, Medien, Verbände, Politik etc.) reagieren auf eine ungenügende Restrukturierungskommunikation zuweilen mit einer Kürzung der Kreditlinien oder negativer Medienberichterstattung.

Am Beispiel eines börsennotierten Einkaufsverbunds der Modebranche verdeutlichte Dr. Bernd Schuppener weitere Erfolgsfaktoren der Restrukturierungskommunikation: Die aktive Steuerung der Kommunikationsarbeit sowie den Einsatz von einheitlichen Kernbotschaften. Das betreffende Unternehmen stand während seiner Sanierung im Insolvenzplanverfahren vor der Herausforderung, das Vertrauen von Fachhändlern und Lieferanten zurück zu gewinnen und damit eine Abwanderung zu verhindern. Diese Zielgruppen wurden daher regelmäßig durch redaktionell bearbeitete Rundschreiben mit den für sie relevanten Informationen rund um die Sanierung versorgt. Als Ergebnis dieser und weiterer Kommunikationsmaßnahmen entschieden sich über 90 Prozent der Fachhändler und die wichtigsten 20 Lieferanten für eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen.

Welche Bedeutung die frühzeitige Antizipation wichtiger Fragen sowie das richtige Timing bei der Ankündigung anstehender Restrukturierungsmaßnahmen hat, skizzierte Dr. Bernd Schuppener abschließend am Beispiel eines MDAX-Unternehmens. Dieses sah sich beim angestrebten Verkauf von großen Unternehmensteilen mit erheblichen Spekulationen seitens der Medien, der Antizipation fast aller Verkaufsszenarien durch Analysten sowie zahlreichen Informationslecks in unternehmensnahen Kreisen konfrontiert. Damit der zu verkaufende Teilbereich weiterhin als attraktives "Asset" wahrgenommen wird und das Restunternehmen seine Bewertung durch den Kapitalmarkt verbessern kann, hat das Unternehmen einige ausgesuchte Journalisten vorab ins Vertrauen gezogen und vielfältige weitere Kommunikationsmaßnahmen realisiert. Als Resultat daraus stieg der Aktienkurs seit Bekanntwerden des Teilverkaufs um ca. 10 Prozent. Außerdem wurde eine überwiegend positive Bewertung durch die Analysten erreicht.

Streitgespräch:
"Humankapital" - Vom Wertschöpfungsfaktor
zum Unwort des Jahres 2004

In einem Streitgespräch standen sich Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser, Initiator und Sprecher der sprachkritischen Aktion "Unwort des Jahres" sowie Professor für Deutsche Philologie an der Universität Frankfurt am Main, und Dipl.-Psych. Peter Friederichs, Gründer und Vorsitzender des Human-Capital -Club e.V. aus München gegenüber. Zu Beginn des Rededuells hob Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser hervor, dass sich die Wahl zum "Unwort des Jahres" nicht als Sprachzensur versteht, sondern lediglich als Anregung, über Sinn und Unsinn des öffentlichen Sprachgebrauchs nachzudenken. Bereits 1998 ist der Begriff "Humankapital" der sprachkritischen Aktion auf Grund von Meldungen aus der Bevölkerung negativ aufgefallen und wurde schon damals als eines von mehreren Unwörtern kritisiert.



Horst Dieter Schlosser



Peter Friederichs

Letztendlicher Anstoß, den Begriff zum "Unwort des Jahres 2004" zu wählen, war die Verwendung von "Humankapital" in offiziellen Dokumenten des Europarates. Damit haben die Straßburger Parlamentarier menschliche Fähigkeiten und Fertigkeiten umschrieben. Nach Ansicht der Jury "Unwort des Jahres" ist der Terminus "Humankapital" schlicht falsch gewählt und weckt irreführende Assoziationen. Zum einen wird "Humankapital" durch die Wortbildung gleichrangig neben Begriffe wie "Sachkapital" und "Finanzkapital" gestellt und der Mensch damit auf seine bloße Funktion im ökonomischen Denken und Handeln reduziert. Zum anderen sind Menschen in dieser Sichtweise allein ein Kostenfaktor und tragen nicht zur Wertschöpfung im Unternehmen bei.

Auch Dipl.-Psych. Peter Friederichs und mit ihm der Human-Capital-Club e.V. betrachten seit geraumer Zeit mit Sorge, dass in Unternehmen die Mitarbeiter überwiegend als reiner Kostenfaktor wahrgenommen und dadurch "degradiert" werden. Der eigentliche Wert der Mitarbeiter für das Unternehmen - nämlich ihr Wissen und Einfallsreichtum, ihre Erfahrung, Kreativität und Einsatzbereitschaft - entziehen sich dadurch weitgehend der Betrachtung. Erklärtes Ziel des Human-Capital-Club e.V. ist es daher, die Unternehmensleitung zu einem Umdenken zu bewegen - weg vom Mitarbeiter als Kostenfaktor hin zum Erfolgsfaktor. Dafür wird ganz bewusst der Begriff "Humankapital" eingesetzt, da dieser einem Vokabular entspringt, das die Adressaten - nämlich die Mitarbeiter und vor allem das Management - selbst verwenden und verstehen.
 
In diesem Kontext wies Dipl.-Psych. Peter Friedrichs darauf hin, dass in deutschen Unternehmen und auch in weiten Teilen der deutschen Wirtschaft der Begriff "Kapital" im Allgemeinen positiv belegt ist. Zudem ist die Humankapitalbewegung international aktiv und das Wort "capital" im Englischen positiv besetzt. Die Auslegung von Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser und den anderen Jurymitgliedern wertet Dipl.-Psych. Peter Friederichs folglich als "typisch deutsche Erscheinung, die vornehmlich im Bildungsbürgertum und in Intellektuellenkreisen anzutreffen ist". Auch wenn sich der Human-Capital-Club e.V. durch die Wahl seines Vereinsnamens zum Unwort des Jahres einseitig negativ bewertet sieht, freut man sich doch über das durch die Jury-Entscheidung hervorgerufene, verstärkte öffentliche Interesse am Thema "Humankapital".

Fallstudie II:
"Den Wandel begleiten" -
Personalmanagement und Changemanagement als
permanente Themen der Neuausrichtung der Charité

Jutta Geringhoff-Seckler, Leiterin des Geschäftsbereichs Changemanagement und Personal der Charité - Universitätsmedizin in Berlin, berichtete über die anstehenden und zum Teil bereits realisierten Maßnahmen zur Umsetzung des neuen Unternehmenskonzepts "Charité 2010". Im Jahr 1710 gegründet, ist die Charité mit ihren vier Standorten in Mitte, Buch, Wedding sowie Steglitz und derzeit rund 12.100 Mitarbeitern (davon knapp 11.000 Vollkräfte) das größte Universitätsklinikum in Europa. Durch die Kürzung des Landeszuschusses für Forschung und Lehre um 98 Millionen Euro sowie die bundesweite Umstellung auf das neue Fallpauschalen-Finanzierungssystem hat die Charité ein Erlösrisiko in Höhe von 246 Millionen Euro bis zum Jahr 2010 zu tragen.   

Kernstück des neuen Unternehmenskonzepts ist die Neugliederung der 128 Kliniken und Institute in 17 "CharitéCentren". Jedes CharitéCenter soll ein Leitungskollegium mit Ergebnisverantwortung erhalten. Zentrale Herausforderungen für den Personalbereich sind dabei die Gestaltung der Veränderungsprozesse, Begleitung von Outsourcing-Projekten und systematische Führungskräfteauswahl. Von den 212 Millionen Euro müssen etwa 144 Millionen im Bereich Personal eingespart werden. Dies entspricht einer Personalreduzierung um rund 2.000 Vollkräfte. Da sich dieser Abbau nicht allein über herkömmliche Instrumente wie Fluktuation und Abfindungsregelungen bewerkstelligen lässt, ist die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zum Vollkräfteabbau eine weitere wesentliche Aufgabe des Personalbereichs.

Im Zuge der Neuausrichtung der Charité hat der Geschäftsbereich Changemanagement und Personal auch das Tagesgeschäft zu reorganisieren, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln sowie die Unternehmens- und Führungskultur weiterzuentwickeln. Unter Federführung der Geschäftsbereichsleitung wurden Arbeits- und Projektgruppen geschaffen. Während letztere damit beschäftigt sind, neue Strukturen zu definieren, diskutieren die jeweiligen Arbeitsgruppen über Inhalte, Verfahren und Prozesse. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden in Form von Statusberichten dokumentiert und als Beschlussvorlage der jeweiligen Projektgruppe vorgelegt.
 
Ein umfassender Veränderungsprozess wie bei der Charité kann nicht von oben verordnet werden. Folglich ist ein begleitendes Coaching - auch für das erfolgreiche Arbeiten in den Arbeits- und Projektgruppen - von elementarer Bedeutung. Dementsprechend wurden die einzelnen Arbeits- und Projektgruppen bei der Charité über zwei Tage hinweg u.a. in den Grundlagen erfolgreicher Projektarbeit geschult und mit Themen wie Projektverständnis, Projektplanung, Konzeption und Dokumentation vertraut gemacht. Im Anschluss daran erfolgte eine halbtägige Supervision. Zur begleitenden Team- und Führungskräfteentwicklung setzt die Charité außerdem ein vorgelagertes Management-Audit ein.

Schwerpunkt "Controlling":
"Optimierungsmöglichkeiten systematisch ermitteln" -
Planung, Steuerung und Kontrolle des Restrukturierungsprozesses
durch personalwirtschaftliche Kennzahlen

Dr. Ulrike Tymister, Associate Partner mit dem Schwerpunkt HR-Beratung der mbb consult GmbH aus Düsseldorf, erläuterte in ihrem Vortrag die Bedeutung des Personalcontrollings im Restrukturierungsprozess. Primäre Aufgabe des Personalcontrollings ist es dabei, der Personalabteilung Kennzahlen zur optimalen Steuerung und Kontrolle eines ganzheitlichen Personalmanagements - von der Einstellung über die Mitarbeiterführung bis zur Kündigung - bereitzustellen. Die Kennzahlen stammen beispielsweise aus den Bereichen Arbeitsproduktivität, Arbeitszufriedenheit, Unternehmenskultur und Mitarbeiterkompetenzen. Durch Kennzahlenvergleiche sollen die Instrumente des Personalcontrollings außerdem eine frühzeitige Schwachstellenanalyse und die rechtzeitige Einleitung von Gegenmaßnahmen ermöglichen.   

Am Beispiel eines regionalen Energieversorgers veranschaulichte Dr. Ulrike Tymister die fünf Schritte zur erfolgreichen Steuerung des Restrukturierungsprozesses anhand personalwirtschaftlicher Kennzahlen. In einem ersten Schritt müssen zunächst die Unternehmensziele identifiziert werden. Aus diesen gilt es anschließend, in einem zweiten Schritt Schlüsselfaktoren abzuleiten und diese in einem dritten Schritt mit Kennzahlen zu detaillieren. Im vorliegenden Fallbeispiel möchte das Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit am Markt erhalten und definiert "nachhaltigen Erfolg" als einen wesentlichen Schlüsselerfolgsfaktor. Hieraus werden Kennzahlen zum Personalaufwand, Personaleinsatz, zur Personalstruktur etc. abgeleitet.

In einem vierten Schritt können die einzelnen Kennzahlen zu einem Kennzahlensystem verdichtet werden. In Anlehnung an das System der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGfP), das zur Steuerung von Kennzahlen drei Aggregationsstufen vorsieht, wurde im vorliegenden Fall ein dreistufiges Kennzahlensystem entwickelt. Auf der dritten Ebene mit niedrigstem Verdichtungsgrad finden sich beispielsweise Kennzahlen zur Fluktuation, zum Krankenstand und zur Alterstruktur der Belegschaft. Im fünften und letzten Schritt erfolgt die detaillierte Analyse der Kennzahlen sowie die Ableitung und Erfolgskontrolle von Steuerungsmaßnahmen. Hilfe leistet dabei beispielsweise die Softwarelösung "HRAmpelCheck" von mbb consult.
 
Im Fallbeispiel hat sich der Krankenstand als wichtige Steuerungsgröße erwiesen. Mittels der Softwarelösung "HRAmpelCheck" von mbb consult wurde die Krankheitsquote im Jahresverlauf sowie die Höhe des Krankenstandes pro Mitarbeitergruppe analysiert. Durch die daraus abgeleiteten Maßnahmen (z.B. Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen) konnte die Krankenquote deutlich gesenkt werden. Wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Einführung des restrukturierungsbegleitenden Personalcontrollingsystems waren insbesondere die frühzeitige Einbindung des Betriebsrates und wichtiger Führungskräfte. Durch die Integration des Kennzahlensystems in den Unternehmensalltag entstanden keine "Zahlenfriedhöfe". Vielmehr wurde dadurch sichergestellt, dass die Kennzahlen als Indikatoren für die Steuerung gewinnbringender Veränderungen im Gesamtunternehmen etabliert werden konnten.

Schwerpunkt "Recht":
"Den Abschied rechtssicher gestalten" -
Juristische Fallstricke in Arbeits- und Aufhebungsverträgen
bei betrieblichen Restrukturierungen und in der Insolvenz

Prof. Dr. Wolfgang Grunsky, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht an der Universität Bielefeld, widmete sich den möglichen arbeitsrechtlichen Problemen bei betriebsbedingten Kündigungen in der Insolvenz. Hierzu kommentierte er verschiedene aktuelle Urteile der Rechtsprechung. So hat das Landesarbeitsgericht Hamburg entschieden, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Möglichkeit gegeben ist, Arbeitsverhältnisse mit der verkürzen Frist nach § 113 Satz 2 der Insolvenzordnung zu kündigen (LAG Hamburg, Urteil vom 16. Oktober 2003, Aktenzeichen 8 Sa 63/03). Dieses gilt selbst dann, wenn es sich um einen sogenannten "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter handelt - ihm also vom Insolvenzgericht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen übertragen wurde. Unternehmen in der Insolvenz müssen folglich beachten, dass die verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten nur vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Anspruch genommen werden kann.   

Wird im Rahmen der Restrukturierung eines Unternehmens ein Betriebsteil stillgelegt und ein anderer Betriebsteil auf einen Erwerber übertragen, so drohen bei der nun notwendigen Sozialauswahl weitere juristische Fallstricke. Unternehmen, die hoffen, die Sozialauswahl nur auf den stillzulegenden Betriebsteil beschränken zu können, erteilt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eine klare Absage (BAG Erfurt, Urteil vom 28. Oktober 2004, Aktenzeichen 8 AZR 391/03). Nach § 1 Absatz 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchzuführen. Folglich müssen bei betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen der Sozialauswahl neben Arbeitnehmer des stillzulegenden Betriebsteils auch vergleichbare Arbeitnehmer des später zu übertragenden Betriebsteil berücksichtigt werden. Dies folgt nach Ansicht des Gerichts aus dem Schutzzweck der Sozialauswahl - nämlich den Arbeitsplatz des sozial schwächeren Arbeitnehmers zu erhalten.

Zugunsten insolventer Unternehmen hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 13. Mai 2004 entschieden (Aktenzeichen 8 AZR 198/03). Danach haben Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren ihres Arbeitgebers keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn nach der rechtlichen Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse ein Betriebsübergang stattfindet. Beachten sollten Unternehmen allerdings, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung einen vertraglichen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 242 BGB dann bejaht, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse noch während des Ablaufs der Kündigungsfrist ändern. Außerdem kommt zuweilen selbst nach Ablauf der Kündigungsfrist ein Wiedereinstellungsanspruch bei einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Betracht. Gleichwohl ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Punkt noch recht uneinheitlich.
 
Abschließend wies Prof. Dr. Wolfgang Grunsky auf das Risiko einer persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den Arbeitnehmern eines Krisenunternehmens hin. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juli 2003 fällt es in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, zu klären, ob die Bestimmungen des § 61 Insolvenzordnung erfüllt sind. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter für Lohnansprüche von Arbeitnehmern des von ihm verwalteten Betriebs unter bestimmten Umständen persönlich haften (Aktenzeichen 5 AZB 34/03). Der Insolvenzverwalter wird demnach als Rechtsnachfolger des Arbeitgebers angesehen, auch wenn auf der Seite des Arbeitgebers kein Wechsel stattgefunden hat. Im konkreten Fall ist der Insolvenzverwalter als Schuldner derselben Verbindlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer neben den Arbeitgeber getreten. Angesichts dieser komplexen Materie ist nach Ansicht von Prof. Dr. Wolfgang Grunsky die Einholung vorherigen Rechtsrats bei geplanten personalwirtschaftlichen Sanierungsmaßnehmen dringend zu empfehlen.

Podiumsdiskussion:
"Personalabbau abseits des Üblichen?" -
Chancen und Risiken von Beschäftigungsgesellschaften

Volker Podzimek, Geschäftsführer der fqg Transfer Gesellschaft mbH aus Brandenburg an der Havel, Hans Walter Schmidt, Geschäftsführer der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände e.V. aus Düsseldorf, und Burkhard Jung, Vorstandsmitglied der CMS Societät für Unternehmensberatung AG aus Berlin, diskutierten im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion über die Möglichkeiten und Grenzen, Personalabbaumaßnahmen durch Beschäftigungsgesellschaften zu begleiten. Peter Senft, Sekretär der IG Metall Bezirksleitung Berlin - Brandenburg - Sachsen aus Berlin, konnte krankheitsbedingt leider nicht persönlich an der Tagung in Düsseldorf teilnehmen. Seine Ansichten zum Thema sind in einem vorab bereitgestellten Thesenpapier dokumentiert. Frank Roselieb, Leiter des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung aus Kiel, moderierte die Expertenrunde.



Volker Podzimek



Hans Walter Schmidt

Hans Walter Schmidt berichtete von positiven, aber auch negativen Erfahrungen, die die Mitgliedsunternehmen der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände mit Beschäftigungsgesellschaften gemacht haben. Im Fall eines Unternehmens des Anlagenbaus wurde lediglich von 10 Prozent der rund 600 betroffenen Arbeitnehmer das Angebot, in eine Beschäftigungsgesellschaft zu wechseln, nicht angenommen. Aus der Beschäftigungsgesellschaft heraus konnten immerhin 80 Prozent der Mitarbeiter in ein neues Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Entscheidend für den Erfolg von Beschäftigungsgesellschaften ist nach Ansicht der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände, wie dieses Instrument im Einzelfall genutzt wird. Wenn entlassene Arbeitnehmer dort lediglich "geparkt" werden, haben die Beschäftigungsgesellschaften ihr Ziel verfehlt.
 
Volker Podzimek schließt sich in diesem Punkt der Kritik der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände an: Auch er ist der Meinung, dass die Beschäftigungsgesellschaften tatsächlich aktiv werden müssen. Immer noch gebe es viele "Ein-Mann-Betriebe", die die Arbeitnehmer nur "verwahren." Die von ihm geleitete fqg mbH übernimmt die Arbeit suchenden Mitarbeiter daher in ein befristetes Arbeitsverhältnis ("Transferkurzarbeit") und stellt deren jeweiliges Vermittlungspotenzial fest. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit vermittelt die fqg Arbeitnehmer möglichst zeitnah in ein neues Beschäftigungsverhältnis und nimmt zusammen mit den neuen Arbeitgebern eine Auswahl der notwendigen Fortbildungsmaßnahmen vor. Die Qualifizierungsmaßnahmen werden durch Bildungsträger aus der Region des neuen Arbeitsplatzes und bei Möglichkeit wohnortnah für den Arbeitnehmer durchgeführt.



Burkhard Jung



Peter Senft


Nach Ansicht von Burkhard Jung setzt der Einsatz von Beschäftigungsgesellschaften voraus, dass ein klares Sanierungsziel und eine ausreichende Finanzierung vorhanden sind. Zudem lebt der Sanierungsprozess mit Beschäftigungsgesellschaften von vollständiger Transparenz, denn nur hierdurch kann die erforderliche Akzeptanz bei Betriebsräten, Gewerkschaften und Arbeitnehmern erreicht werden. Problematisch ist aus Sicht von Burkhard Jung zum einen, dass Personalmaßnahmen mit Beschäftigungsgesellschaften auf der Freiwilligkeit der Arbeitnehmer beruhen und daher der Prozess nicht immer vollständig beherrschbar ist. Zum anderen sind die Erwartungen der Unternehmen an Beschäftigungsgesellschaften zum Teil recht hoch, so dass im Verlauf des Sanierungsprozesses die Alternative, nämlich die teure Kündigung mit Geldsozialplan, die als Maßstab für die Vorteilhaftigkeit der Transferlösung herangezogen werden muß, vergessen wird.
 
Peter Senft weist in seinem Thesenpapier darauf hin, dass Insolvenzverwalter und Unternehmensberater Transfergesellschaften häufig dazu nutzen, um ausschließlich kurzfristig Personalprobleme zu lösen und keine Verantwortung mehr für die Beschäftigten zu übernehmen. Nach seiner Ansicht trägt diese Haltung erheblich zum negativen Bild von Transfergesellschaften bei. Statt dessen sollte die Umstrukturierung von Unternehmen als ein länger angelegter Prozess verstanden werden. Als Positivbeispiel verweist Peter Senft auf das Instrument der "Arbeitsstiftung". Bei dieser Art von "institutionalisierter Transfergesellschaft" wird im Betrieb zusammen mit der Personalabteilung, dem Entwicklungsbereich und der Strategieplanung festgelegt, welche Arbeitskräfte mit welcher Qualifikation benötigt werden. Die Erfolge von Arbeitsstiftungen in Österreich und Schweden mit einer Quote von 90 Prozent erfolgreicher Vermittlungen sprechen für dieses Konzept.

 

Ansprechpartner

Frank Roselieb
Krisennavigator - Institut für Krisenforschung
Ein Spin-Off der Universität Kiel
Schauenburgerstraße 116
D-24118 Kiel
Telefon: +49 (0)431 907 - 26 10
Telefax: +49 (0)431 907 - 26 11
Internet: www.krisennavigator.de
E-Mail: roselieb@krisennavigator.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
8. Jahrgang (2005), Ausgabe 2 (Februar)

Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

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Auf Einladung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, einem "Spin-Off" der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, diskutierten am 11. Mai 2005 im Industrie-Club e.V. in Düsseldorf Personaldirektoren und Kommunikationsmanager aus Deutschland und Österreich die verschiedenen Facetten einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Restrukturierung. Medienpartner der Veranstaltung waren die Fachzeitschriften "Personal", "Arbeitgeber", "Personalwirtschaft" und "Pressesprecher". Gefördert wurde die Fachtagung auch von der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) mit Sitz in Hamburg.

Dreizehn Experten aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Beratungsgesellschaften und aus der Wissenschaft erläuterten in Fallstudien und Praxisberichten u.a. psychologische Aspekte der Führung und Motivation von verbleibenden Mitarbeitern nach Entlassungswellen, die Chancen und Risiken von Beschäftigungsgesellschaften, den Einsatz von personalwirtschaftlichen Kennzahlen im Restrukturierungsprozess sowie Konzepte einer begleitenden Unternehmenskommunikation. Fallbeispiele für erfolgreiche Restrukturierungsprozesse sowie deren kommunikative und personalwirtschaftliche Begleitung kamen u.a. von der Berliner Charité und vom Energieversorger Salzburg AG.

Impressionen

    

    

    

    

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Agenda

Fallstudie I:
"Gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft" -
Wie die Fusion von SAFE und den Salzburger Stadtwerken
zur Salzburg AG gelungen ist

Dr. Michael Schaffer, Leiter Personalwirtschaft der Salzburg AG aus Salzburg, erläuterte in seinem Vortrag zunächst die Ziele der im April 2000 beschlossenen Fusion zwischen dem Landesenergieversorger SAFE und dem städtischen Infrastrukturunternehmen Salzburger Stadtwerke AG. Zum einen wurde angestrebt, aus den beiden bisherigen kommunalen Energieversorgungsunternehmen ein wettbewerbsfähiges Dienstleistungsunternehmen zu schaffen. Zum anderen sollte vor dem Hintergrund der bevorstehenden Liberalisierung des Strommarktes und den damit veränderten Marktbedingungen eine strategische Neuausrichtung der Geschäftsfelder erreicht werden.   

Das dritte Ziel der Fusion bestand in der Zusammenführung der Aufbau- und Ablauforganisation, der Unternehmenskulturen sowie in der Schaffung eines einheitlichen Führungssystems. Dies stellte in Anbetracht der jeweils eigenen Geschichte und gewachsenen Unternehmenskulturen der vormals konkurrierenden Unternehmen eine komplexe Aufgabe dar. Mittels einer Gestaltungspyramide wurden zunächst aus der Unternehmensstrategie der Salzburg AG (erste Ebene) sechs Unternehmensleitlinien abgeleitet (zweite Ebene). Diese dienten anschließend dazu, Anforderungskriterien an die Unternehmensorganisation (dritte Ebene) sowie notwendige Kompetenzen der Mitarbeiter zu bestimmen (vierte Ebene) und deren Erfüllung anhand bestimmter Indikatoren zu beurteilen (fünfte Ebene).

Der Personalbereich diente als "Motor" des Veränderungsprozesses. Gemeinsam mit dem Vorstand der Salzburg AG war er für die grundsätzliche strategische Ausrichtung der neuen Unternehmensarchitektur verantwortlich. Dabei arbeitete der Personalbereich unter den folgenden drei Prämissen: Das Personal beider Unternehmen sollte bei der Zuordnung der Tätigkeiten gleichbehandelt und "adäquat durchmischt" werden. Die Mitarbeiter wurden als entscheidender Faktor für das Gelingen der Fusion angesehen und folglich wurden keine fusionsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Schließlich war sicherzustellen, dass der gemeinsame Geschäftsbetrieb zum 1. Januar 2001 beginnen konnte.

Im Zuge der Fusion hatte der Personalbereich außerdem die folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erstens sollte mittels einer abgesicherten Erhebung ein Überblick über die Mitarbeiterkompetenzen beider Unternehmen gewonnen werden. Zweitens waren die Tätigkeitsanforderungen mit den Eignungen der Mitarbeiter in Einklang zu bringen. Drittens galt es, zur erfolgreichen Umsetzung schlanker Prozesse adäquate personalwirtschaftliche Lösungen zu entwickeln und diese umzusetzen. Das Engagement der Salzburg AG im Rahmen des Restrukturierungsprozesses wurde im Jahre 2002 mit dem "Human Resource Award of Excellence" ausgezeichnet.

Schwerpunkt "Strategie":
"Wenn aus weniger mehr werden soll" -
Stolpersteine und Erfolgsfaktoren des
Personalmanagements bei Restrukturierungen und Fusionen

Für Wolfgang Groß, Geschäftsbereichsleiter Handel bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH aus München, trägt die Ausgangssituation bei Restrukturierungen und Fusionen durchaus krisenhafte Züge. Spätestens ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Fusion herrscht im Unternehmen ein Ausnahmezustand: Mitarbeiter und Führungskräfte sind gleichermaßen verunsichert. Während erstere persönliche Karriereängste und unklare Zukunftsaussichten plagen, muss das Top- Management eine Vielzahl von Konflikten lösen und steht unter hohem Entscheidungsdruck.   

Ein wesentlicher Stolperstein des Personalmanagements bei Restrukturierungen und Fusionen ist insbesondere die Führungsschwäche von Entscheidungsträgern. Durch zu großes Harmoniestreben, fortwährenden Entscheidungsstau und geringe Faktenorientierung wird Vergangenes bewahrt und so manche "heilige Kuh" bis zuletzt verteidigt. Darüber hinaus stellt der fehlende Rückzug des Inhabers aus der Geschäftsführung häufig ein weiteres Restrukturierungshemmnis dar. "Verlässt der Kapitän das sinkende Schiff nicht", droht Bewegungslosigkeit und im Extremfall die Insolvenz. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass erfolgreiches Personalmanagement bei Restrukturierungen stets an der Spitze beginnt.

Konkret lassen sich in vier Bereichen personalwirtschaftliche Erfolgsfaktoren für gelungene Restrukturierungen identifizieren: Erstens muss das Unternehmen aus Betroffenen Beteiligte machen und hierdurch "winning teams" schaffen. In diesem Zusammenhang sollten zentrale Führungspositionen zügig besetzt und Leistungsträger an das Unternehmen gebunden werden. Zweitens gilt es, bei den Mitarbeitern das nötige "Commitment" für die Restrukturierung zu schaffen. Zu diesem Zweck ist eine frühzeitige, kontinuierliche und offene Kommunikation - auch von Teilerfolgen - genauso notwendig wie die Übereinstimmung von Worten und Taten des Unternehmens.
 
Drittens hat das Personalmanagement bei Restrukturierungen und Fusionen darauf zu achten, dass Entscheidungen zentral getroffen und die Restrukturierungsziele konsequent umgesetzt werden. Ein respektiertes Leitungsteam mit konzentrierter Entscheidungsmacht sowie ein kontinuierliches Umsetzungscontrolling sind hierfür erfolgskritisch. Bei Restrukturierungen ist der Betriebsfrieden durch zwangsläufig entstehende Konflikte stets latent bedroht. Viertens kommt es deshalb beim richtigen Umgang mit solchen Widerständen gegen den angestoßenen Wandlungsprozess - neben fachlichem Know-how - insbesondere auf das emotionale Gespür der Entscheidungsträger an.

Schwerpunkt "Psychologie":
"Innere Kündigungen vermeiden" -
Psychologische Aspekte der Führung von verbleibenden
Mitarbeitern nach betriebsbedingten Kündigungen

Marion Dreher M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Krisennavigator - Institut für Krisenforschung in Kiel, skizzierte zu Beginn ihres Vortrags die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Unternehmen in Deutschland. Im Jahr 2004 summierte sich die Zahl der Unternehmensschließungen auf mehr als 39.000 Insolvenzen und über 677.000 Liquidationen. Selbst Mitarbeiter, die von einer Betriebsschließung nicht akut betroffen sind, bangen vermehrt um ihren Arbeitsplatz. Nach einer aktuellen Umfrage der Initiative "Perspektive Deutschland" aus dem Jahr 2005 fürchten 42 Prozent der Befragten den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Rund 60 Prozent erwarten eine Verschlechterung ihrer persönlichen finanziellen Situation.   

Jobangst und betriebsbedingte Kündigungen bleiben auch bei den verbleibenden Mitarbeitern nicht ohne psychologische Folgen. Nach dem Ausmaß der empfundenen Angst und dem Grad an Offenheit gegenüber dem Veränderungsprozess werden vier Reaktionstypen unterschieden: Während der "Neugierige" dem Veränderungsprozess offen und ohne Angst gegenübersteht, zeichnet sich der "Stürmer" zwar durch ein hohes Maß an Offenheit, aber auch durch eine starke Angst gegenüber der Veränderung aus. "Konservierer" und "Absicherer" geben sich dagegen wesentlich "zugeknöpfter" und unterscheiden sich deutlich in dem Ausmaß der wahrgenommenen Angst. Als Folge der Jobangst kommt es bei den verbleibenden Mitarbeitern nicht selten zu psychischen und psychosomatischen Beschwerden, einer grundsätzlichen Blockadehaltung und zuweilen auch zu wirtschaftskriminellen Handlungen gegenüber dem Arbeitgeber.

Bei betriebsbedingten Kündigungen kommen in der Unternehmenspraxis beim Umgang mit Mitarbeitern in der Regel vier verschiedene Strategien zur Anwendung: Bei der ersten Strategie, "Business as usual", unterbleiben personalwirtschaftliche Maßnahmen komplett. In der Folge fühlen sich die Mitarbeiter "von denen da oben" im Stich gelassen. Demgegenüber setzt die zweite Strategie auf eine Erneuerung des psychologischen Kontrakts. Ziel ist es, durch eine offene Informationspolitik das Vertrauen der Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern. Die dritte Strategie, die "Revitalisierung", möchte durch gezielte Maßnahmen einer "Rundum-Betreuung" die Bindung der verbleibenden Mitarbeiter an das Unternehmen stärken. Bei der vierten Strategie, dem präventiven Kündigungsmanagement, fordert das Unternehmen die Mitarbeiter auf, aktiv an einer Lösung der Probleme mitzuarbeiten und damit ihren Teil zur Restrukturierung beizutragen.
 
Bei der Wahl einer personalwirtschaftlichen Restrukturierungsstrategie sollten stets mögliche Kosten durch vernachlässigte "Survivors" im Unternehmen - wie sinkende Arbeitsqualität, steigende Fehlzeiten und ein zunehmend schlechteres Betriebsklima - bedacht werden. Setzt das Unternehmen dagegen auf ein partnerschaftliches Kündigungsmanagement, können nicht selten arbeitsrechtliche Gegenmaßnahmen der entlassenen Mitarbeiter vermieden und die Folgekosten der Kündigung gesenkt werden. Auch die verbleibenden Mitarbeiter honorieren ein faires Kündigungsmanagement im Idealfall damit, dass sie motivierter und produktiver ihrer Arbeit nachgehen, sich wieder stärker mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und hierdurch einen wesentlichen Beitrag zur Wiederherstellung eines guten, leistungsorientierten Betriebsklimas erbringen.

Schwerpunkt "Kommunikation":
"Damit aus dem Stellenabbau kein Image-GAU wird" -
Unternehmens-, Mitarbeiter- und Kundenkommunikation
im Restrukturierungsprozess

Dr. Bernd Schuppener, geschäftsführender Gesellschafter der Hering Schuppener Unternehmensberatung für Kommunikation GmbH aus Frankfurt am Main, hob die Bedeutung einer professionellen Unternehmenskommunikation als Werttreiber im Restrukturierungsprozess hervor. Durch ein umfassendes Kommunikationsmanagement können die typische Risiken von Restrukturierungen minimiert und der Unternehmenswert insgesamt positiv beeinflusst werden. Ein solches Vorgehen scheitert in der Unternehmenspraxis aber häufig daran, dass den Unternehmen intern die Erfahrung, Kapazität und Disziplin zur systematischen Steuerung der Kommunikation fehlt. Außerdem sind zahlreiche rechtliche Vorgaben zu beachten.   

Wesentlich für den nachhaltigen Erfolg der Restrukturierungskommunikation ist die Berücksichtigung der externen und internen Zielgruppen des Unternehmens. Mitarbeiter, Führungskräfte und der Betriebsrat reagieren auf ein unzureichendes Kommunikationsmanagement nicht selten mit Arbeitsniederlegung, Sabotage oder erhöhtem Krankenstand. Fühlen sich die Geschäftspartner (Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner etc.) des Unternehmens schlecht über den Fortgang der Restrukturierung informiert, stornieren sie Aufträge, halten Lieferungen zurück oder kündigen die Kooperation ganz auf. Auch andere externe Zielgruppen (Kapitalmarkt, Medien, Verbände, Politik etc.) reagieren auf eine ungenügende Restrukturierungskommunikation zuweilen mit einer Kürzung der Kreditlinien oder negativer Medienberichterstattung.

Am Beispiel eines börsennotierten Einkaufsverbunds der Modebranche verdeutlichte Dr. Bernd Schuppener weitere Erfolgsfaktoren der Restrukturierungskommunikation: Die aktive Steuerung der Kommunikationsarbeit sowie den Einsatz von einheitlichen Kernbotschaften. Das betreffende Unternehmen stand während seiner Sanierung im Insolvenzplanverfahren vor der Herausforderung, das Vertrauen von Fachhändlern und Lieferanten zurück zu gewinnen und damit eine Abwanderung zu verhindern. Diese Zielgruppen wurden daher regelmäßig durch redaktionell bearbeitete Rundschreiben mit den für sie relevanten Informationen rund um die Sanierung versorgt. Als Ergebnis dieser und weiterer Kommunikationsmaßnahmen entschieden sich über 90 Prozent der Fachhändler und die wichtigsten 20 Lieferanten für eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen.

Welche Bedeutung die frühzeitige Antizipation wichtiger Fragen sowie das richtige Timing bei der Ankündigung anstehender Restrukturierungsmaßnahmen hat, skizzierte Dr. Bernd Schuppener abschließend am Beispiel eines MDAX-Unternehmens. Dieses sah sich beim angestrebten Verkauf von großen Unternehmensteilen mit erheblichen Spekulationen seitens der Medien, der Antizipation fast aller Verkaufsszenarien durch Analysten sowie zahlreichen Informationslecks in unternehmensnahen Kreisen konfrontiert. Damit der zu verkaufende Teilbereich weiterhin als attraktives "Asset" wahrgenommen wird und das Restunternehmen seine Bewertung durch den Kapitalmarkt verbessern kann, hat das Unternehmen einige ausgesuchte Journalisten vorab ins Vertrauen gezogen und vielfältige weitere Kommunikationsmaßnahmen realisiert. Als Resultat daraus stieg der Aktienkurs seit Bekanntwerden des Teilverkaufs um ca. 10 Prozent. Außerdem wurde eine überwiegend positive Bewertung durch die Analysten erreicht.

Streitgespräch:
"Humankapital" - Vom Wertschöpfungsfaktor
zum Unwort des Jahres 2004

In einem Streitgespräch standen sich Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser, Initiator und Sprecher der sprachkritischen Aktion "Unwort des Jahres" sowie Professor für Deutsche Philologie an der Universität Frankfurt am Main, und Dipl.-Psych. Peter Friederichs, Gründer und Vorsitzender des Human-Capital -Club e.V. aus München gegenüber. Zu Beginn des Rededuells hob Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser hervor, dass sich die Wahl zum "Unwort des Jahres" nicht als Sprachzensur versteht, sondern lediglich als Anregung, über Sinn und Unsinn des öffentlichen Sprachgebrauchs nachzudenken. Bereits 1998 ist der Begriff "Humankapital" der sprachkritischen Aktion auf Grund von Meldungen aus der Bevölkerung negativ aufgefallen und wurde schon damals als eines von mehreren Unwörtern kritisiert.



Horst Dieter Schlosser



Peter Friederichs

Letztendlicher Anstoß, den Begriff zum "Unwort des Jahres 2004" zu wählen, war die Verwendung von "Humankapital" in offiziellen Dokumenten des Europarates. Damit haben die Straßburger Parlamentarier menschliche Fähigkeiten und Fertigkeiten umschrieben. Nach Ansicht der Jury "Unwort des Jahres" ist der Terminus "Humankapital" schlicht falsch gewählt und weckt irreführende Assoziationen. Zum einen wird "Humankapital" durch die Wortbildung gleichrangig neben Begriffe wie "Sachkapital" und "Finanzkapital" gestellt und der Mensch damit auf seine bloße Funktion im ökonomischen Denken und Handeln reduziert. Zum anderen sind Menschen in dieser Sichtweise allein ein Kostenfaktor und tragen nicht zur Wertschöpfung im Unternehmen bei.

Auch Dipl.-Psych. Peter Friederichs und mit ihm der Human-Capital-Club e.V. betrachten seit geraumer Zeit mit Sorge, dass in Unternehmen die Mitarbeiter überwiegend als reiner Kostenfaktor wahrgenommen und dadurch "degradiert" werden. Der eigentliche Wert der Mitarbeiter für das Unternehmen - nämlich ihr Wissen und Einfallsreichtum, ihre Erfahrung, Kreativität und Einsatzbereitschaft - entziehen sich dadurch weitgehend der Betrachtung. Erklärtes Ziel des Human-Capital-Club e.V. ist es daher, die Unternehmensleitung zu einem Umdenken zu bewegen - weg vom Mitarbeiter als Kostenfaktor hin zum Erfolgsfaktor. Dafür wird ganz bewusst der Begriff "Humankapital" eingesetzt, da dieser einem Vokabular entspringt, das die Adressaten - nämlich die Mitarbeiter und vor allem das Management - selbst verwenden und verstehen.
 
In diesem Kontext wies Dipl.-Psych. Peter Friedrichs darauf hin, dass in deutschen Unternehmen und auch in weiten Teilen der deutschen Wirtschaft der Begriff "Kapital" im Allgemeinen positiv belegt ist. Zudem ist die Humankapitalbewegung international aktiv und das Wort "capital" im Englischen positiv besetzt. Die Auslegung von Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser und den anderen Jurymitgliedern wertet Dipl.-Psych. Peter Friederichs folglich als "typisch deutsche Erscheinung, die vornehmlich im Bildungsbürgertum und in Intellektuellenkreisen anzutreffen ist". Auch wenn sich der Human-Capital-Club e.V. durch die Wahl seines Vereinsnamens zum Unwort des Jahres einseitig negativ bewertet sieht, freut man sich doch über das durch die Jury-Entscheidung hervorgerufene, verstärkte öffentliche Interesse am Thema "Humankapital".

Fallstudie II:
"Den Wandel begleiten" -
Personalmanagement und Changemanagement als
permanente Themen der Neuausrichtung der Charité

Jutta Geringhoff-Seckler, Leiterin des Geschäftsbereichs Changemanagement und Personal der Charité - Universitätsmedizin in Berlin, berichtete über die anstehenden und zum Teil bereits realisierten Maßnahmen zur Umsetzung des neuen Unternehmenskonzepts "Charité 2010". Im Jahr 1710 gegründet, ist die Charité mit ihren vier Standorten in Mitte, Buch, Wedding sowie Steglitz und derzeit rund 12.100 Mitarbeitern (davon knapp 11.000 Vollkräfte) das größte Universitätsklinikum in Europa. Durch die Kürzung des Landeszuschusses für Forschung und Lehre um 98 Millionen Euro sowie die bundesweite Umstellung auf das neue Fallpauschalen-Finanzierungssystem hat die Charité ein Erlösrisiko in Höhe von 246 Millionen Euro bis zum Jahr 2010 zu tragen.   

Kernstück des neuen Unternehmenskonzepts ist die Neugliederung der 128 Kliniken und Institute in 17 "CharitéCentren". Jedes CharitéCenter soll ein Leitungskollegium mit Ergebnisverantwortung erhalten. Zentrale Herausforderungen für den Personalbereich sind dabei die Gestaltung der Veränderungsprozesse, Begleitung von Outsourcing-Projekten und systematische Führungskräfteauswahl. Von den 212 Millionen Euro müssen etwa 144 Millionen im Bereich Personal eingespart werden. Dies entspricht einer Personalreduzierung um rund 2.000 Vollkräfte. Da sich dieser Abbau nicht allein über herkömmliche Instrumente wie Fluktuation und Abfindungsregelungen bewerkstelligen lässt, ist die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zum Vollkräfteabbau eine weitere wesentliche Aufgabe des Personalbereichs.

Im Zuge der Neuausrichtung der Charité hat der Geschäftsbereich Changemanagement und Personal auch das Tagesgeschäft zu reorganisieren, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln sowie die Unternehmens- und Führungskultur weiterzuentwickeln. Unter Federführung der Geschäftsbereichsleitung wurden Arbeits- und Projektgruppen geschaffen. Während letztere damit beschäftigt sind, neue Strukturen zu definieren, diskutieren die jeweiligen Arbeitsgruppen über Inhalte, Verfahren und Prozesse. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden in Form von Statusberichten dokumentiert und als Beschlussvorlage der jeweiligen Projektgruppe vorgelegt.
 
Ein umfassender Veränderungsprozess wie bei der Charité kann nicht von oben verordnet werden. Folglich ist ein begleitendes Coaching - auch für das erfolgreiche Arbeiten in den Arbeits- und Projektgruppen - von elementarer Bedeutung. Dementsprechend wurden die einzelnen Arbeits- und Projektgruppen bei der Charité über zwei Tage hinweg u.a. in den Grundlagen erfolgreicher Projektarbeit geschult und mit Themen wie Projektverständnis, Projektplanung, Konzeption und Dokumentation vertraut gemacht. Im Anschluss daran erfolgte eine halbtägige Supervision. Zur begleitenden Team- und Führungskräfteentwicklung setzt die Charité außerdem ein vorgelagertes Management-Audit ein.

Schwerpunkt "Controlling":
"Optimierungsmöglichkeiten systematisch ermitteln" -
Planung, Steuerung und Kontrolle des Restrukturierungsprozesses
durch personalwirtschaftliche Kennzahlen

Dr. Ulrike Tymister, Associate Partner mit dem Schwerpunkt HR-Beratung der mbb consult GmbH aus Düsseldorf, erläuterte in ihrem Vortrag die Bedeutung des Personalcontrollings im Restrukturierungsprozess. Primäre Aufgabe des Personalcontrollings ist es dabei, der Personalabteilung Kennzahlen zur optimalen Steuerung und Kontrolle eines ganzheitlichen Personalmanagements - von der Einstellung über die Mitarbeiterführung bis zur Kündigung - bereitzustellen. Die Kennzahlen stammen beispielsweise aus den Bereichen Arbeitsproduktivität, Arbeitszufriedenheit, Unternehmenskultur und Mitarbeiterkompetenzen. Durch Kennzahlenvergleiche sollen die Instrumente des Personalcontrollings außerdem eine frühzeitige Schwachstellenanalyse und die rechtzeitige Einleitung von Gegenmaßnahmen ermöglichen.   

Am Beispiel eines regionalen Energieversorgers veranschaulichte Dr. Ulrike Tymister die fünf Schritte zur erfolgreichen Steuerung des Restrukturierungsprozesses anhand personalwirtschaftlicher Kennzahlen. In einem ersten Schritt müssen zunächst die Unternehmensziele identifiziert werden. Aus diesen gilt es anschließend, in einem zweiten Schritt Schlüsselfaktoren abzuleiten und diese in einem dritten Schritt mit Kennzahlen zu detaillieren. Im vorliegenden Fallbeispiel möchte das Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit am Markt erhalten und definiert "nachhaltigen Erfolg" als einen wesentlichen Schlüsselerfolgsfaktor. Hieraus werden Kennzahlen zum Personalaufwand, Personaleinsatz, zur Personalstruktur etc. abgeleitet.

In einem vierten Schritt können die einzelnen Kennzahlen zu einem Kennzahlensystem verdichtet werden. In Anlehnung an das System der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGfP), das zur Steuerung von Kennzahlen drei Aggregationsstufen vorsieht, wurde im vorliegenden Fall ein dreistufiges Kennzahlensystem entwickelt. Auf der dritten Ebene mit niedrigstem Verdichtungsgrad finden sich beispielsweise Kennzahlen zur Fluktuation, zum Krankenstand und zur Alterstruktur der Belegschaft. Im fünften und letzten Schritt erfolgt die detaillierte Analyse der Kennzahlen sowie die Ableitung und Erfolgskontrolle von Steuerungsmaßnahmen. Hilfe leistet dabei beispielsweise die Softwarelösung "HRAmpelCheck" von mbb consult.
 
Im Fallbeispiel hat sich der Krankenstand als wichtige Steuerungsgröße erwiesen. Mittels der Softwarelösung "HRAmpelCheck" von mbb consult wurde die Krankheitsquote im Jahresverlauf sowie die Höhe des Krankenstandes pro Mitarbeitergruppe analysiert. Durch die daraus abgeleiteten Maßnahmen (z.B. Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen) konnte die Krankenquote deutlich gesenkt werden. Wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Einführung des restrukturierungsbegleitenden Personalcontrollingsystems waren insbesondere die frühzeitige Einbindung des Betriebsrates und wichtiger Führungskräfte. Durch die Integration des Kennzahlensystems in den Unternehmensalltag entstanden keine "Zahlenfriedhöfe". Vielmehr wurde dadurch sichergestellt, dass die Kennzahlen als Indikatoren für die Steuerung gewinnbringender Veränderungen im Gesamtunternehmen etabliert werden konnten.

Schwerpunkt "Recht":
"Den Abschied rechtssicher gestalten" -
Juristische Fallstricke in Arbeits- und Aufhebungsverträgen
bei betrieblichen Restrukturierungen und in der Insolvenz

Prof. Dr. Wolfgang Grunsky, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht an der Universität Bielefeld, widmete sich den möglichen arbeitsrechtlichen Problemen bei betriebsbedingten Kündigungen in der Insolvenz. Hierzu kommentierte er verschiedene aktuelle Urteile der Rechtsprechung. So hat das Landesarbeitsgericht Hamburg entschieden, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Möglichkeit gegeben ist, Arbeitsverhältnisse mit der verkürzen Frist nach § 113 Satz 2 der Insolvenzordnung zu kündigen (LAG Hamburg, Urteil vom 16. Oktober 2003, Aktenzeichen 8 Sa 63/03). Dieses gilt selbst dann, wenn es sich um einen sogenannten "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter handelt - ihm also vom Insolvenzgericht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen übertragen wurde. Unternehmen in der Insolvenz müssen folglich beachten, dass die verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten nur vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Anspruch genommen werden kann.   

Wird im Rahmen der Restrukturierung eines Unternehmens ein Betriebsteil stillgelegt und ein anderer Betriebsteil auf einen Erwerber übertragen, so drohen bei der nun notwendigen Sozialauswahl weitere juristische Fallstricke. Unternehmen, die hoffen, die Sozialauswahl nur auf den stillzulegenden Betriebsteil beschränken zu können, erteilt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eine klare Absage (BAG Erfurt, Urteil vom 28. Oktober 2004, Aktenzeichen 8 AZR 391/03). Nach § 1 Absatz 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchzuführen. Folglich müssen bei betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen der Sozialauswahl neben Arbeitnehmer des stillzulegenden Betriebsteils auch vergleichbare Arbeitnehmer des später zu übertragenden Betriebsteil berücksichtigt werden. Dies folgt nach Ansicht des Gerichts aus dem Schutzzweck der Sozialauswahl - nämlich den Arbeitsplatz des sozial schwächeren Arbeitnehmers zu erhalten.

Zugunsten insolventer Unternehmen hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 13. Mai 2004 entschieden (Aktenzeichen 8 AZR 198/03). Danach haben Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren ihres Arbeitgebers keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn nach der rechtlichen Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse ein Betriebsübergang stattfindet. Beachten sollten Unternehmen allerdings, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung einen vertraglichen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 242 BGB dann bejaht, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse noch während des Ablaufs der Kündigungsfrist ändern. Außerdem kommt zuweilen selbst nach Ablauf der Kündigungsfrist ein Wiedereinstellungsanspruch bei einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Betracht. Gleichwohl ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Punkt noch recht uneinheitlich.
 
Abschließend wies Prof. Dr. Wolfgang Grunsky auf das Risiko einer persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den Arbeitnehmern eines Krisenunternehmens hin. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juli 2003 fällt es in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, zu klären, ob die Bestimmungen des § 61 Insolvenzordnung erfüllt sind. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter für Lohnansprüche von Arbeitnehmern des von ihm verwalteten Betriebs unter bestimmten Umständen persönlich haften (Aktenzeichen 5 AZB 34/03). Der Insolvenzverwalter wird demnach als Rechtsnachfolger des Arbeitgebers angesehen, auch wenn auf der Seite des Arbeitgebers kein Wechsel stattgefunden hat. Im konkreten Fall ist der Insolvenzverwalter als Schuldner derselben Verbindlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer neben den Arbeitgeber getreten. Angesichts dieser komplexen Materie ist nach Ansicht von Prof. Dr. Wolfgang Grunsky die Einholung vorherigen Rechtsrats bei geplanten personalwirtschaftlichen Sanierungsmaßnehmen dringend zu empfehlen.

Podiumsdiskussion:
"Personalabbau abseits des Üblichen?" -
Chancen und Risiken von Beschäftigungsgesellschaften

Volker Podzimek, Geschäftsführer der fqg Transfer Gesellschaft mbH aus Brandenburg an der Havel, Hans Walter Schmidt, Geschäftsführer der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände e.V. aus Düsseldorf, und Burkhard Jung, Vorstandsmitglied der CMS Societät für Unternehmensberatung AG aus Berlin, diskutierten im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion über die Möglichkeiten und Grenzen, Personalabbaumaßnahmen durch Beschäftigungsgesellschaften zu begleiten. Peter Senft, Sekretär der IG Metall Bezirksleitung Berlin - Brandenburg - Sachsen aus Berlin, konnte krankheitsbedingt leider nicht persönlich an der Tagung in Düsseldorf teilnehmen. Seine Ansichten zum Thema sind in einem vorab bereitgestellten Thesenpapier dokumentiert. Frank Roselieb, Leiter des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung aus Kiel, moderierte die Expertenrunde.



Volker Podzimek



Hans Walter Schmidt

Hans Walter Schmidt berichtete von positiven, aber auch negativen Erfahrungen, die die Mitgliedsunternehmen der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände mit Beschäftigungsgesellschaften gemacht haben. Im Fall eines Unternehmens des Anlagenbaus wurde lediglich von 10 Prozent der rund 600 betroffenen Arbeitnehmer das Angebot, in eine Beschäftigungsgesellschaft zu wechseln, nicht angenommen. Aus der Beschäftigungsgesellschaft heraus konnten immerhin 80 Prozent der Mitarbeiter in ein neues Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Entscheidend für den Erfolg von Beschäftigungsgesellschaften ist nach Ansicht der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände, wie dieses Instrument im Einzelfall genutzt wird. Wenn entlassene Arbeitnehmer dort lediglich "geparkt" werden, haben die Beschäftigungsgesellschaften ihr Ziel verfehlt.
 
Volker Podzimek schließt sich in diesem Punkt der Kritik der Düsseldorfer Arbeitgeberverbände an: Auch er ist der Meinung, dass die Beschäftigungsgesellschaften tatsächlich aktiv werden müssen. Immer noch gebe es viele "Ein-Mann-Betriebe", die die Arbeitnehmer nur "verwahren." Die von ihm geleitete fqg mbH übernimmt die Arbeit suchenden Mitarbeiter daher in ein befristetes Arbeitsverhältnis ("Transferkurzarbeit") und stellt deren jeweiliges Vermittlungspotenzial fest. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit vermittelt die fqg Arbeitnehmer möglichst zeitnah in ein neues Beschäftigungsverhältnis und nimmt zusammen mit den neuen Arbeitgebern eine Auswahl der notwendigen Fortbildungsmaßnahmen vor. Die Qualifizierungsmaßnahmen werden durch Bildungsträger aus der Region des neuen Arbeitsplatzes und bei Möglichkeit wohnortnah für den Arbeitnehmer durchgeführt.



Burkhard Jung



Peter Senft


Nach Ansicht von Burkhard Jung setzt der Einsatz von Beschäftigungsgesellschaften voraus, dass ein klares Sanierungsziel und eine ausreichende Finanzierung vorhanden sind. Zudem lebt der Sanierungsprozess mit Beschäftigungsgesellschaften von vollständiger Transparenz, denn nur hierdurch kann die erforderliche Akzeptanz bei Betriebsräten, Gewerkschaften und Arbeitnehmern erreicht werden. Problematisch ist aus Sicht von Burkhard Jung zum einen, dass Personalmaßnahmen mit Beschäftigungsgesellschaften auf der Freiwilligkeit der Arbeitnehmer beruhen und daher der Prozess nicht immer vollständig beherrschbar ist. Zum anderen sind die Erwartungen der Unternehmen an Beschäftigungsgesellschaften zum Teil recht hoch, so dass im Verlauf des Sanierungsprozesses die Alternative, nämlich die teure Kündigung mit Geldsozialplan, die als Maßstab für die Vorteilhaftigkeit der Transferlösung herangezogen werden muß, vergessen wird.
 
Peter Senft weist in seinem Thesenpapier darauf hin, dass Insolvenzverwalter und Unternehmensberater Transfergesellschaften häufig dazu nutzen, um ausschließlich kurzfristig Personalprobleme zu lösen und keine Verantwortung mehr für die Beschäftigten zu übernehmen. Nach seiner Ansicht trägt diese Haltung erheblich zum negativen Bild von Transfergesellschaften bei. Statt dessen sollte die Umstrukturierung von Unternehmen als ein länger angelegter Prozess verstanden werden. Als Positivbeispiel verweist Peter Senft auf das Instrument der "Arbeitsstiftung". Bei dieser Art von "institutionalisierter Transfergesellschaft" wird im Betrieb zusammen mit der Personalabteilung, dem Entwicklungsbereich und der Strategieplanung festgelegt, welche Arbeitskräfte mit welcher Qualifikation benötigt werden. Die Erfolge von Arbeitsstiftungen in Österreich und Schweden mit einer Quote von 90 Prozent erfolgreicher Vermittlungen sprechen für dieses Konzept.

 

Ansprechpartner

Frank Roselieb
Krisennavigator - Institut für Krisenforschung
Ein Spin-Off der Universität Kiel
Schauenburgerstraße 116
D-24118 Kiel
Telefon: +49 (0)431 907 - 26 10
Telefax: +49 (0)431 907 - 26 11
Internet: www.krisennavigator.de
E-Mail: roselieb@krisennavigator.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
8. Jahrgang (2005), Ausgabe 2 (Februar)

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Letzte Aktualisierung: Dienstag, 19. März 2024

       

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